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Der Talisman

Der Talisman

Titel: Der Talisman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King und Peter Straub
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jetzt Hunderte von Metern entfernt – der offene Raum zwischen ihm und den Säulen wollte und wollte sich nicht schließen. Es war, als wichen die Steine zurück, während er auf sie zurannte. Jack erwartete jeden Augenblick, einen Schuss zu hören. Würde er zuerst die Kugel spüren oder hörte er den Knall, bevor das Geschoß ihn niederstreckte? Endlich ragten die drei Felsen in seinem Blickfeld immer höher auf, und dann war er da, ließ sich auf den Bauch fallen und rutschte hinter ihnen in Deckung.
    »Speedy«, sagte er, trotz allem fast lachend. Doch der Anblick Speedys, der neben einer bunten kleinen Decke saß und gegen die mittlere Felssäule lehnte, ließ das Lachen in seiner Kehle ersterben – und ebenso zumindest die Hälfte seiner Hoffnung.
     
    2
     
    Denn Speedy sah noch schlimmer aus als Richard. Viel schlimmer. Sein aufgesprungenes, nässendes Gesicht nickte Jack erschöpft zu, und der Junge hatte das Gefühl, dass Speedy seine Hoffnungslosigkeit bestätigte. Speedy trug nur alte braune Shorts, und seine ganze Haut schien von einer grauenhaften Krankheit befallen zu sein, wie von Lepra.
    »Setz dich, Travelling Jack«, flüsterte Speedy mit heiserer, geborstener Stimme. »Ich muss dir eine Menge sagen, also sperr die Ohren auf.«
    »Wie geht es Ihnen?« fragte Jack. »Ich meine – großer Gott, Speedy, kann ich irgendetwas für Sie tun?«
    Er legte Richard sanft in den Sand.
    »Sperr die Ohren auf, und mach dir um Speedy keine Sorgen. Mir geht’s nicht gerade gut, wie du siehst, aber wenn du alles richtig machst, kann es mir wieder gut gehen. Das hat mir der Dad deines Freundes hier beschert – und seinem eigenen Sohn offenbar auch. Der alte Bloat will nicht, dass sein Sohn in das Hotel geht, auf gar keinen Fall. Aber du musst ihn mitnehmen, Junge. Du musst ihn mitnehmen.«
    Während Speedy sprach, schien er immer wieder sekundenlang ohnmächtig zu werden, und Jack war mehr denn je seit Wolfs Tod danach zumute, zu schreien oder zu jammern. Seine Augen schmerzten, und er wusste, dass er am liebsten geweint hätte. »Ich weiß, Speedy«, sagte er. »Darauf bin ich selbst schon gekommen.«
    »Du bist ein guter Junge«, sagte der alte Mann. Er lehnte den Kopf zurück und musterte Jack. »Du bist es wirklich. Die Straße hat ihr Zeichen an dir hinterlassen. Du bist es. Du wirst es schaffen.«
    »Wie geht’s meiner Mom, Speedy?« fragte Jack. »Bitte, sagen Sie es mir. Sie ist noch am Leben, ja?«
    »Du kannst sie anrufen, sobald du es hinter dir hast«, erwiderte Speedy. »Aber erst musst du ihn holen, Jack. Denn wenn du ihn nicht holst, ist sie tot. Und auch Laura, die Königin. Sie ist dann auch tot.« Speedy stemmte sich stöhnend ein Stückchen hoch, um seinen Rücken zu strecken. »Fast alle Leute am Hof haben sie aufgegeben – haben sie aufgegeben, als wäre sie schon tot.« Auf seinem Gesicht spiegelte sich Empörung. »Sie haben alle Angst vor Morgan. Weil sie wissen, dass Morgan ihnen die Haut vom Leibe reißt, wenn sie ihm nicht gleich Gehorsam schwören. Bevor Laura ihren letzten Atemzug getan hat. Und weiter hinten in der Region sind zweibeinige Schlangen wie Osmond und seine Kreaturen herumgekrochen und haben erzählt, sie wäre schon tot. Und wenn sie stirbt, Travelling Jack, wenn sie stirbt …« Er neigte sein zerstörtes Gesicht dem Jungen entgegen. »Dann regiert in beiden Welten der schwarze Terror. Der schwarze Terror. Du kannst deine Mom anrufen. Aber erst musst du ihn holen. Du musst. Er ist alles, was uns noch geblieben ist.«
    Jack brauchte nicht zu fragen, was er meinte.
    »Ich bin froh, dass du verstehst, Junge.« Speedy schloss die Augen und lehnte den Kopf an den Stein.
    Einen Augenblick später öffneten sich seine Augen langsam wieder. »Schicksale. Darum geht es. Mehr Schicksale, mehr Leben, als du ahnst. Hast du je den Namen Rushton gehört? Vermutlich, es war ja viel Zeit dazu.«
    Jack nickte.
    »Und all diese Schicksale haben bewirkt, dass deine Mom dich ins Hotel Alhambra brachte, Travelling Jack. Ich habe nur dagesessen und darauf gewartet, dass du auftauchst. Der Talisman hat dich hergezogen, Junge. Jason. Den Namen hast du vermutlich auch gehört.«
    »Das bin ich«, sagte Jack.
    »Dann hol den Talisman. Ich hab dieses Ding hier mitgebracht – es ist eine kleine Hilfe.« Kraftlos hob er die Decke an, die, wie Jack jetzt sah, aus Gummi war und deshalb keine Decke sein konnte.
    Jack nahm das Gummibündel aus Speedys wie verkohlt aussehender Hand. »Aber wie

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