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Der Talisman

Der Talisman

Titel: Der Talisman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King und Peter Straub
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Blick in den Rückspiegel, bevor er die Getriebeautomatik auf Vorwärts schaltete und auf die Fahrbahn zurückkehrte.
    »Oatley«, sagte Jack. »Ich glaube, das sind ungefähr fünfzig Kilometer.«
    »Dann hast du in Erdkunde geschwänzt«, sagte der Vertreter. »Bis Oatley sind es an die siebzig Kilometer.« Er drehte den Kopf, um Jack anzusehen, und überraschte den Jungen, indem er ihm zuzwinkerte. »Nimm mir’s nicht übel«, sagte er, »aber ich sehe Kinder nicht gern als Anhalter auf der Straße. Deshalb nehme ich sie auch immer mit, wenn ich welche sehe. Ich weiß, bei mir sind sie sicher. Kein Betatzen, wenn du verstehst, was ich meine. Es sind zu viele Irre unterwegs, Junge. Liest du Zeitungen? Ich meine, es treiben sich viele Raubtiere herum. Du könntest leicht zu einer gefährdeten Art werden.«
    »Da haben Sie sicher recht«, sagte Jack. »Aber ich versuche, vorsichtig zu sein.«
    »Bist du irgendwo in dieser Gegend zu Hause?«
    Der Mann musterte ihn immer noch und warf zwischendurch mit vogelartigen Drehungen des Kopfes kurze Blicke auf die Straße, während Jack in Gedanken angestrengt nach dem Namen einer weiter östlich an der Straße liegenden Ortschaft suchte. »Palmyra. Ich komme aus Palmyra.«
    Der Vertreter nickte und sagte: »Ein nettes Städtchen«; dann konzentrierte er sich wieder auf den Highway. Jack ließ sich in den bequemen Plüsch des Sitzes sinken. Dann endlich sagte der Mann: »Ich hoffe, du schwänzt nicht gerade die Schule, oder?«, und da war wieder die Zeit für die Geschichte gekommen.
    Er hatte sie schon so oft erzählt und jeweils nur die Namen der Ortschaften abgeändert, dass sie ihm wie ein aalglatter Monolog vorkam. »Nein, Sir. Es ist nur so, dass ich nach Oatley muss, um dort eine Weile bei meiner Tante Helen zu wohnen. Helen Vaughan. Das ist die Schwester meiner Mutter. Sie ist Lehrerin. Sehen Sie, mein Dad ist im letzten Winter gestorben, und seither hatten wir ziemlich zu krebsen – und dann wurde vor vierzehn Tagen der Husten meiner Mutter viel schlimmer, sie kam kaum noch die Treppe hinauf, und der Doktor sagte, sie müsste im Bett bleiben, solange es irgend geht, und da hat sie ihre Schwester gefragt, ob ich eine Weile bei ihr bleiben könnte. Und weil sie Lehrerin ist, wird sie mich in Oatley bestimmt gleich in die Schule schicken. Tante Helen würde nicht zulassen, dass ich schwänze, darauf können Sie sich verlassen.«
    »Soll das etwa heißen, dass deine Mutter gesagt hat, du sollst per Anhalter von Palmyra nach Oatley fahren?« fragte der Mann.
    »Oh nein – das hätte sie nie getan. Sie gab mir Geld für den Bus, aber ich wollte es sparen. Wahrscheinlich ist in der nächsten Zeit von Zuhause kaum Geld zu erwarten, und Tante Helen hat auch nichts übrig. Meiner Mom wäre es gar nicht recht, wenn sie wüsste, dass ich per Anhalter fahre. Aber fünf Dollar sind fünf Dollar, und warum soll sie ein Busfahrer bekommen?«
    Der Mann sah ihn aus dem Augenwinkel heraus an. »Wie lange willst du in Oatley bleiben?«
    »Schwer zu sagen. Ich hoffe, dass es meiner Mutter bald wieder besser geht.«
    »Fahr nicht per Anhalter zurück, okay?«
    »Wir haben keinen Wagen mehr«, sagte Jack und fügte der Geschichte ein neues Kapitel hinzu. Er begann, Spaß daran zu finden. »Können Sie sich das vorstellen? Sie kamen mitten in der Nacht und nahmen ihn wieder mit. Verdammte Feiglinge. Sie wussten genau, dass wir alle schliefen. Kamen einfach mitten in der Nacht und stahlen unseren Wagen direkt aus der Garage. Mister, ich hätte um diesen Wagen gekämpft – und nicht nur, um damit zu meiner Tante zu fahren. Wenn meine Mutter zum Arzt muss, muss sie die ganze Anhöhe hinunterlaufen und dann noch fünf Blocks weiter zur Bushaltestelle. Das sollte doch nicht erlaubt sein, oder? Einfach aufkreuzen und unseren Wagen stehlen? Wir wollten die Raten wieder bezahlen, sobald wir konnten. Das würden Sie doch auch Diebstahl nennen, oder etwa nicht?«
    »Wahrscheinlich würde ich das, wenn es mir passierte«, sagte der Mann. »Ich hoffe, dass es deiner Mutter bald wieder besser geht.«
    »Das hoffe ich auch«, sagte Jack von ganzem Herzen.
    Danach schwiegen sie, bis die ersten Hinweise auf die Ausfahrt Oatley auftauchten. Unmittelbar hinter der Ausfahrt stoppte der Vertreter auf der Einbiegerspur, lächelte Jack noch einmal an und sagte: »Viel Glück, Junge.«
    Jack nickte und öffnete die Tür.
    »Jedenfalls hoffe ich, dass du nicht allzu lange in Oatley bleiben musst.«
    Jack sah

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