Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Talisman

Der Talisman

Titel: Der Talisman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King und Peter Straub
Vom Netzwerk:
Gewiss, er war nicht in die Region zurückgekehrt, seit er am Westufer des Flusses zu sich gekommen war, aber dafür und für das damit verbundene langsamere Vorwärtskommen gab es eine vernünftige Ausrede – er sagte sich, dass er Speedys Zaubersaft aufsparen musste für die Fälle, da er ihn wirklich brauchte.
    Und hatte Speedy nicht selbst gesagt, er solle überwiegend auf den Straßen dieser Welt reisen? Also tat er es.
    Wenn die Sonne am Himmel stand und die Autos ihn fünfzig oder sechzig Kilometer weiter nach Westen beförderten und sein Magen voll war, kam ihm die Region unvorstellbar fern und traumhaft vor: sie glich einem Film, den er zu vergessen begann, einer vorübergehenden Einbildung. Gelegentlich, wenn sich Jack im Wagen irgendeines Schullehrers zurücklehnte, die üblichen Fragen beantwortete und seine Geschichte zum Besten gab, vergaß er sie regelrecht. Die Region verließ ihn, und er war wieder – fast jedenfalls – der Junge, der er zu Beginn des Sommers gewesen war.
    Vor allem auf den großen Highways vergingen, nachdem ihn ein Wagen in der Nähe einer Ausfahrt abgesetzt hatte, in der Regel nur zehn oder fünfzehn Minuten, bis der nächste auf seinen hochgereckten Daumen reagierte und zur Seite ausscherte. Jetzt befand er sich irgendwo in der Nähe von Batavia im Westen des Staates New York und wanderte mit hochgerecktem Daumen die Einbiegerspur der Interstate 90 entlang; er war auf dem Weg nach Buffalo – und hinter Buffalo würde er sich nach Süden halten. Wenn man etwas zustande bringen wollte, musste man die beste Methode ausarbeiten und dann entsprechend handeln. Der Rand McNally und seine Geschichte hatten ihn so weit gebracht; jetzt brauchte er nur noch einen Fahrer zu finden, der die ganze Strecke bis Chicago oder Denver fuhr (oder sogar bis Los Angeles, wenn man sich schon Tagträumen über das Glück hingeben wollte), und dann konnte er vor Mitte Oktober schon wieder auf dem Heimweg sein.
    Er war sonnengebräunt, er hatte fünfzehn Dollar in der Tasche von seinem letzten Job – als Tellerwäscher im Golden Spoon Diner in Auburn –, und seine Muskeln kamen ihm zäher und geschmeidiger vor. Obwohl ihm manchmal nach Weinen zumute war, hatte er seit jener ersten unglücklichen Nacht keine Tränen mehr vergossen. Er hatte sich unter Kontrolle, das war der Unterschied. Jetzt, da er wusste, wie er vorgehen wollte, da er alles bis ins letzte Detail ausgearbeitet hatte, beherrschte er, was mit ihm geschah; er glaubte bereits, das Ende seiner Reise absehen zu können, obwohl es noch in weiter Ferne lag. Wenn er überwiegend in dieser Welt reiste, wie Speedy ihm geraten hatte, konnte er so schnell vorwärts kommen, wie erforderlich war, und mit dem Talisman rechtzeitig nach New Hampshire zurückkehren. Es würde klappen, und er würde viel weniger Probleme haben, als er befürchtet hatte.
    Das zumindest bildete Jack Sawyer sich ein, als ein staubiger blauer Ford Fairlane an den Straßenrand ausscherte und darauf wartete, dass er angelaufen kam, die Augen gegen die Nachmittagssonne zusammenkneifend. Fünfzig oder sechzig Kilometer, dachte er. Er stellte sich die Seite des Rand McNally vor, die er sich am Morgen angesehen hatte, und beschloss: Oatley. Es klang langweilig, klein und ungefährlich – er war unterwegs, und jetzt konnte ihm nichts mehr passieren.
     
    2
     
    Jack beugte sich nieder und blickte durchs Fenster, bevor er die Tür des Fairlane öffnete. Dicke Musterbücher und Broschüren lagen auf den Rücksitzen; zwei große Aktenkoffer nahmen den Beifahrersitz ein. Der dickliche, schwarzhaarige Mann, der Jacks Haltung jetzt fast nachzuäffen schien, indem er sich über das Lenkrad beugte und den Jungen durch das offene Fenster hindurch musterte, war ein Handelsvertreter. Das Jackett seines blauen Anzugs hing am Haken hinter ihm; seine Krawatte hing auf Halbmast, die Ärmel waren aufgekrempelt. Ein Vertreter Mitte Dreißig, der sich in aller Ruhe durch seinen Bezirk hindurcharbeitete. Er würde sich mit ihm unterhalten wollen, wie alle Vertreter. Der Mann lächelte, hob erst den einen der dicken Aktenkoffer an und beförderte ihn über die Rücklehne auf das auf den hinteren Sitzen herrschende Durcheinander, dann den zweiten. »Erstmal ein bisschen Platz schaffen«, sagte er.
    Jack wusste, dass der Mann ihn als erstes fragen würde, warum er nicht in der Schule war.
    Er öffnete die Tür, sagte »Danke« und stieg ein.
    »Hast du’s weit?« fragte der Vertreter und warf einen

Weitere Kostenlose Bücher