Der Tanz Der Klingen
legte es zurück.
»Probier ma’, ob’s eins von denen tut. Ich nenn’se
›Schwarze‹, weg’n dem da.« Er deutete auf den Kiesel,
der den Knauf des Schwerts bildete, das er hielt. »Gleiches Jewicht wi’n Katz’nauche. Nimm ma’ den Pikser
hier, Kam’rad.«
Nur Waffenmeister nannte jeden »Kam’rad«. Ab morgen würden die Menschen Ringwald Sir Ringwald nennen, wenngleich er kein echter Ritter sein würde. Aber
egal, sein Augenmerk galt vielmehr jenem Schwert.
Dünn, kerzengerade und unvorstellbar schön! Nahe der
Spitze war die Klinge doppelschneidig, ansonsten einschneidig. Die Waffe war kaum schwerer als ein Rapier
und hatte Fingerringe, um sie besser lenken zu können.
Auf Anhieb kam er mit dem zusätzlichen Gewicht zurecht. Folglich würde er kaum an Behändigkeit einbüßen,
und eine Schneide konnte sich als nützlich erweisen, falls
erje Stücke von einem Schattenherren abhacken musste.
(Schluck!) Er versuchte ein paar Ausfallschritte, ein, zwei
Hiebe. Dieses Wunderding zu besitzen! Für immer! Zumindest solange er lebte, also vielleicht ein paar Wochen
…
Waffenmeister nahm ihm das gute Stück ab und bot
ihm stattdessen ein Rapier an.
»Nein«, lehnte Ringwald ab. »Ich denke, ich brauche
doch etwas mit einer Schneide. Mein Mündel hat Ärger
mit wandelnden Toten.«
Waffenmeister zog die Augenbrauen hoch, raunte aber
nur: »Dann versuch ma’ das da.«
In einem Taumel der Glückseligkeit probierte Ringwald mehr als ein Dutzend Schwerter aus. Die Zeit verflog unbemerkt; es war ihm an jenem Tag ohnehin nicht
gestattet zu essen. Er kam immer wieder zurück auf die erste Waffe. Schließlich hob er sie an und küsste die
Klinge.
Waffenmeisters Augen leuchteten. »Liebe auf’n erst’n
Blick, wa’, Kam’rad? Nur isse ‘n Deut lang für dich.« »Ich wachse ja noch.«
»Na denn, wie sollse heiß’n?«
»Schlechte Neuigkeiten!« Als er sah, wie der Waffenschmied ob dieser Beleidigung seiner erlesenen Arbeit
die Stirn runzelte, legte Ringwald hastig eine Erklärung
nach. »Sir Tancred hat uns heute Morgen geweckt und
meinte, er brächte schlechte Neuigkeiten. Raunzer dachte
das auch, aber ich fand, es waren großartige Neuigkeiten,
weil sie bedeuten, dass ich gebunden werde. Also verheißt dieses Schwert gute Neuigkeiten für mich und sehr
schlechte für die Feinde meines Mündels.« Das hatte er
sich bereits auf dem Weg zu Großmeisters Arbeitszimmer ausgedacht.
Der große Mann lachte. »Gefällt mir! Weißte wie dieser Raunzer seins nenn’n will?«
»Unbezwingbar.«
Geräuschvoll wurde die Truhe geschlossen, dass es
nur so durch die Esse hallte. Der Waffenmeister blickte
finster drein. »Kannste mir auch stecken, wie man das
schreibt, Kam’rad?«
Unter dem Himmel der Schwerter saß ein kalkweißer Gutsieg allein am Tisch der Altgedienten; also wusste bereits die ganze Schule, was vor sich ging. Um Raunzer war es nicht schade, aber Ringwald! Er war noch keine Woche ein Altgedienter gewesen. In der Halle summte es wie in einem Bienenstock.
Glockmann ging hinüber, um Gutsieg Glück zu wünschen und ihm die Hand zu schütteln. Außerdem bat er ihn, Großmeister zu bestellen, dass Glockmann mit ihm sprechen wollte – was bedeutete, dass Gutsieg bald Gesellschaft am Tisch bekommen würde. Gutsieg wünschte ihm ebenfalls Glück.
Und dann die Rückgabe. Für gewöhnlich stellte die Zeremonie eine Formalität dar, denn die meisten Klingen erreichten ein gediegenes Alter, und für gesunde, vor Tatendrang strotzende Jungen war der Tod Überachtzigjähriger bedeutungslos. Zumal dies alle ein, zwei Wochen vorkam. Als der Stellvertretende Befehlshaber Tancred jedoch Bernards Namen aussprach, erscholl ein gemeinsamer Aufschrei der Bestürzung. Jeder hatte Bernard gemocht. Das Schluchzen war nicht auf die Tische der Soprane beschränkt, und Tancreds kurze Schilderung der Schattenherren würde in naher Zukunft gewiss so manchen Albtraum heraufbeschwören.
Glockmann hatte Bernard nahe gestanden, weshalb er mindestens ebenso betroffen wie alle anderen war. Als er aus der Halle schritt, verspürte er zudem einen lodernden Zorn. Die Geschichte über diese sogenannten Schattenherren enthielt zu viele unerklärte Sonderbarkeiten. Sie ergab keinen Sinn.
Ein Finger stieß ihn in die Rippen. »Ich will mit dir reden.«
Glockmann drehte sich um. Er blickte in das zahnlückige Grinsen und den geweihartigen Schnurrbart von Sir Gefahr, der als das schlimmste Klatschmaul der Garde berüchtigt war.
Er erwiderte das
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