Der Tanz Der Klingen
gestohlen, nehme ich an?«
Karl spielte den Gekränkten. »Selbstverständlich! Woher sollte ich wohl das Geld nehmen, um etwas Derartiges zu kaufen? Aber ich habe es von der Frisierkommode der Vorbesitzerin genommen, und sie würde niemals zugeben, dass ich in ihrem Schlafgemach war, also könnt Ihr die Kette unbesorgt tragen, liebste Johanna.«
»Wird sie nicht!« Rubin kochte vor Zorn. »Und du wirst Unsere Gemahlin gefälligst als ›Königliche Hoheit‹ anreden!«
»Gewiss doch!« Karl zuckte mit den Schultern und warf Johanna einen Blick zu, aus dem deutlich sprach, wie unmöglich es doch war, es älteren Herren recht zu machen.
Nun hatte Johanna Mühe, nicht zu lächeln, was alles andere als ratsam gewesen wäre. Sie fragte sich, ob Karl nicht eine Bereicherung für das Leben in einem staubigen, grauen Palast sein könnte. Andererseits musste er Anspruch auf den Thron besitzen, und seinen Augen entging nichts. Unter dem Mantel seiner Mätzchen mochte sich ein Dolch der Gemeinheit verbergen.
Der zweite Tanz ward ihm in jener Nacht nicht beschieden.
Weil es keine Tänze gab. Unmittelbar nach dem Bankett erklärte der Großherzog die Feier für beendet und führte seine Gemahlin nach oben, um sie in einigen Dingen des wahren Lebens zu unterweisen.
Neun Monate und einen Tag später gebar sie einen Sohn.
3
Eine Großherzogin war nie allein. Selbst wenn sie ihren Sohn an einem strahlenden Morgen in die frische Luft brachte und in Frederiks unsteter Geschwindigkeit einen Gang entlangbummelte, war Johanna in Begleitung dreier gelangweilter Zofen. Weiter hinten folgte ihnen zudem Frederiks Amme Ruxandra mit einem Beutel voll Notwendigkeiten. Frederik war mittlerweile fast drei Jahre alt und bestand darauf, alles zu erkunden. Wenn seine Mutter versuchte, ihn zu tragen oder seine Hand zu halten, bekam er Trotzanfälle. Weiter kamen sie nur durch zähes Verhandeln, untertäniges Flehen und allerlei Ablenkung. Er bremste den Gang des gesamten Palastes, weil die Dienerschaft sich verneigen oder knicksen und anschließend beiseite treten musste, bis der Thronfolger an ihnen vorüber war. Um diese Stunde waren kaum Vertreter des Adels anzutreffen, die wenigen jedoch fegten wie üblich an ihnen vorüber, ohne die Großherzogin eines Blickes zu würdigen. Johanna hatte sich längst daran gewöhnt. Soweit es den Adel Krupinas betraf, war sie nach wie vor Luft.
Das Märchen hatte sich anders als geplant entwickelt. Der Markgraf von Krupa war damit beschäftigt, mit den kleinen Fäusten gegen eine Zierrüstung zu hämmern und schenkte dem Klang marschierender Stiefel und klirrender Sporen keine Beachtung, als etwa ein Dutzend Vamky-Ritter um die Ecke vor ihnen bog. Der Mann an der Spitze hinkte leicht, wodurch er sofort als Volpe erkennbar war. In jenem Augenblick erspähte Frederik sein Lieblingsplüschpferd auf der gegenüberliegenden Seite des Ganges und trottete los, um es zu begutachten. Johanna glaubte zwar, dass selbst Volpe nicht fähig wäre, ein Kind zu Tode zu trampeln, trotzdem rannte sie los, ergriff Frederik und brachte sie beide an der Wand in Sicherheit.
»Oh, sieh nur!«, rief sie, um dem sonst unvermeidlichen Zornesgeschrei vorzubeugen. »Schau mal, Soldaten!«
»Soldaten!«, stimmte Frederik ihr aufgeregt zu. Er mochte Soldaten.
Vamky-Brüder waren im Palast Agathon ein durchaus vertrauter Anblick. Für gewöhnlich trabten sie zu zweit oder zu viert in ihren weißen Gewändern mit dem blauen Vamky-V über dem Kerzen umher und gingen wusstendie-Geister-welchen Angelegenheiten nach, stets mit den Händen in den Ärmeln und den Gesichtern unter den Kapuzen verborgen. Weniger häufig tauchten sie in militärischem Aufzug auf, der von altmodischen Kettenpanzern bis zu Lederreitklüften reichte, doch selbst dann gelang es ihnen zumeist, die Gesichter teilweise zu verbergen, und immer trugen sie Schwerter. Heute setzte sich ihre Aufmachung aus Krempenhelmen, Brustharnischen mit Plattenhüftschienen und in lange Stiefel steckenden Beinkleidern aus Leder zusammen. Sie waren reichlich mit Frühlingsschlamm bespritzt, was darauf schließen ließ, dass sie eben erst mit ihren Pferden angekommen waren. Bei den Helmen fehlten die üblichen Wangenteile und der Nasenschutz, wodurch die staubigen, vom Wind gezeichneten Gesichter frei lagen.
Zu Johannas Erstaunen marschierten sie nicht geradewegs an ihr vorbei. Volpe befahl: »Abteilung … stillgestanden! Linksherum … Augen geradeaus! Prä … sentiert die Waffen!«
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