Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tanz Der Klingen

Der Tanz Der Klingen

Titel: Der Tanz Der Klingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Duncan
Vom Netzwerk:
geschlendert.
Johanna kannte den Irrgarten wie ihre Westentasche, denn in den ersten Monaten ihrer Ehe, bevor Frederik geboren wurde, war es ihre Hauptbeschäftigung gewesen, ihn zu erkunden. Sie kannte die Fenster, die einen Ausblick über die Dächer der Stadt auf die fernen Hügel boten, die sie so sehr vermisste, und andere, durch die sie auf die geschäftigen Straßen sehen und echte Menschen dabei beobachten konnte, wie sie gewöhnliche Leben führten. Sie mochte die beiden abgeschiedenen, kleinen Gärten und hasste die düsteren, muffigen Räume, die gewundenen Treppen; vor allem aber hasste sie den Thronsaal, in dem sie manchmal neben Rubin sitzen und die abweisenden, finsteren Blicke einer Versammlung ertragen musste. Ja, sie saß auf dem Thron der Gemahlin neben dem größeren herzoglichen Thron, aber sie war nie formell eingeführt oder mit der silbernen Krone gekrönt, nie von den Menschen umjubelt worden. Hochstaplerin! schienen ihre Augen zu sagen. Eindringling! Emporkömmling! Bauernweib!
Von der Begegnung mit Volpe beunruhigt, kam sie von ihrem ursprünglichen Vorhaben ab, Frederik zum Spielen zur Wiese zu bringen, und ging stattdessen an ihren Lieblingsort, eine Galerie, die den Haupthof überblickte. Sie war schmal und führte nirgendwohin, weshalb nur Johanna und die Tauben sie nutzten. An sonnigen Tagen konnte sie dort sitzen und beobachten, wie das Palastleben sich gleich einem Tanz unter ihr abspielte – Pferde, Kutschen, Karren, Soldaten, Bäckergehilfen, Lakaien, Zimmermädchen, Spielmänner, Straßenmusikanten, Boten und Dutzende weitere, deren Zweck und Beschäftigung sie nur erahnen konnte. Frederik konnte dort gefahrlos spielen, denn die eherne Brüstung war eng geschmiedet. Außerdem war Johanna von dort deutlich zu sehen, und das war wichtig. Die Menschen sollten nie vergessen, dass sie eine Großherzogin hatten!
Als sie auf der Galerie eintraf, sah sie, wie Fürst Volpe und seine Männer sich unter allerlei Gebrüll und Hufgetrampel auf dem Hof zum Aufbruch vorbereiteten. Umstehende hechteten aus dem Weg, als die Brüder lospreschten. Johanna überraschte die Abreise, denn sie bedeutete, dass die Männer Angelegenheiten bereits vor der Begegnung mit ihr erledigt haben mussten, dabei waren sie so schlammverspritzt gewesen, dass Johanna vermutet hatte, sie wären eben erst eingetroffen. Wenn ihr Besuch so kurz und dessen Zweck so dringend gewesen war, weshalb hatte Volpe sich dann die Zeit genommen, um anzuhalten und Frederik zu begrüßen? Höchst seltsam!
Wie üblich befahl sie, einen Stuhl für sie am fernen Ende der Galerie aufzustellen, und nahm ihren Sohn und einen Sack voll Spielzeug mit, während sie die Schreckschrauben an der Tür zurückließ, wo sie häkeln und über Leute herziehen konnten. Smaranda, Eupraxia und Cneajna waren allesamt älter als sie, bürgerliche Töchter ehrgeiziger Mütter. Sie alle wollten Ehemänner und waren so hässlich, dass sie im Gegenzug für Unterstützung bereit waren, der falschen Herzogin zu dienen, was die adeligen Damen des Reichs glatt verweigerten. Johanna wünschte, sie könnte ihre Bemühungen beschleunigen, und träumte oft insgeheim davon, ihnen Preisschilder umzuhängen. Je schneller sie die drei unter die Haube brächte, desto mehr Auswahl hätte sie für ihren Ersatz. Vielleicht würde sie sogar eine verwandte Seele als Gefährtin finden. Leider aber erlagen ihre Zofen zu oft den Versuchungen des Palastes und mussten in Schimpf und Schande nach Hause geschickt werden. Was andere Mütter nicht gerade ermutigte, ihre Töchter anzubieten.
Und da sie gerade an Liederlichkeit gedacht hatte … Johanna hatte es sich eben erst gemütlich gemacht, und Frederik beobachtete noch zufrieden durch das Eisenwerk das Geschehen unten, als Cneajna, Eupraxia und Smaranda ihre Handarbeiten fallen ließen, damit sie aufspringen und vor dem begehrtesten Junggesellen des Herzogtums knicksen konnten, der auf den Balkon geschlendert kam.
Die Jahre hatten es nicht gut mit Karl gemeint. Er war gerade erst zwanzig geworden, dennoch verlor sich sein bemerkenswert gutes Aussehen bereits, und selbst die kostspieligsten Gewänder im Land konnten den Ansatz eines Spitzbauchs nicht mehr verbergen. Die Rechnungen seines Schneiders mussten horrend sein, sofern er sie je bezahlte. Selbst an jenem Tag, an dem es keinen besonderen Anlass gab, sich herauszuputzen, bot er einen aufsehenerregenden Anblick in seiner unpraktischen Kluft aus Brokat und Taft, allerlei

Weitere Kostenlose Bücher