Der Tanz Der Klingen
freuen, Euch wieder glücklich statt voll unerwiderter Liebe umherwandeln zu sehen.«
»Herr!«, quiekte Frederik. »Noch mal!«
»Du bist eine unersättliche unbelehrbare Nervensäge!«, stellte Karl vergnügt fest. Pffffft!
»Noch mal!«
Karl blies schrille Fanfarenstöße auf Frederiks Hals, während er auf die Knie sank und den Knaben auf den Boden stellte. »Jetzt ist’s genug! Johanna, Liebste, begreift Ihr denn nicht, dass wir füreinander geschaffen sind? Zwei einsame Waisen in einer übergroßen Scheune voller Rinder? Schon mein ganzes Leben schleiche ich trübselig durch dieses schreckliche Elendsviertel von einem Palast, und ich bin noch nie jemandem begegnet…«
Seine Leichtfertigkeit erzürnte sie. »Ihr seid keine Waise!«
»Glaubt Ihr?« Plötzlich musterte er sie mit einem fast so eindringlichen Starren wie Volpe. »Bezeichnet Ihr meinen Vater etwa als einen Vater? Nach allem, was er meiner Mutter angetan hat?«
Damit hatte er einen Punkt errungen. Wie Johanna vor geraumer Zeit herausgefunden hatte, war Karl ein ehelicher Sohn und somit erbberechtigt. Obwohl die VamkyBrüder zu Ehelosigkeit vereidigt wurden, hatten Staatsangelegenheiten Vorrang, und Volpe war mutmaßlicher Thronerbe gewesen. Er hatte eine Sondererlaubnis erhalten zu heiraten, doch nach Karls Geburt hatte er seine Gemahlin verlassen und das Kind mitgenommen.
»Vielleicht gehorchte er nur Befehlen, als er Eure Mutter verstieß?«
»Nein«, widersprach Karl voll Überzeugung. »Meine Mutter hat es nie gegeben, und mein Vater ist zu Keuschheit vereidigt. Ich bin ein Trugbild, eine Luftspiegelung. Ich wurde aus Nichts erschaffen!« Jäh schlug seine Verbitterung wieder in Spöttelei um. »Lasst mich beschreiben, wie ich Euch lieben werde. Zunächst liebkose ich Eure Nippel mit meiner Zunge. Wenn Sie sich dann aufrichten, beginne ich zärtlich, daran zu kauen …«
Johanna rang nach Luft, teils ob seiner Geschmacklosigkeit, teils vor Erleichterung, weil sie Rettung nahen sah. Sie schloss die Hände so fest um das Geländer, dass es schmerzte, und forderte ihn auf: »Sprecht lauter.«
Karl war zu gewieft, um sich so leicht in eine Falle locken zu lassen. Mit einer eleganten Bewegung erhob er sich, drehte sich um und verneigte sich.
Rubin stolzierte den Balkon entlang. Auch er hatte Johanna noch nie hier aufgesucht. Was war nur aus ihrer kostbaren Zuflucht geworden? Und würde er sie für Karls öffentliches Schäkern schelten? Frederik flüchtete hinter seine Mutter in Sicherheit. Im Vergleich zu Karl wirkte Rubin alt und zerstreut, was er war, zudem schäbig gekleidet, was er nicht war.
Johanna knickste. »Euer Gnaden ehren mich.«
»Ich finde dich in übler Gesellschaft vor, meine Süße. Ihr habt unsere Erlaubnis zu gehen, Vetter.«
Karl zeigte sich unerschrocken. »Dann wünsche ich Eurer Hoheit einen guten Tag. Wir sehen uns spätestens in Trenko wieder.« Ohne die letzte Bemerkung näher zu erklären, zog er sich zurück. Unterwegs hielt er für ein letztes Wort zu den drei Anstandsdamen inne, die ob des Aufmarsches königlicher Besucher völlig aus dem Häuschen waren.
»Ich versichere Euer Gnaden«, setzte Johanna an, »dass er nicht auf meine Einladung hin hier war.« Sie taumelte, als Frederik versuchte, ihren Rock zu erklimmen. Johanna streichelte ihm übers Haar, um ihm zu zeigen, dass sie ihn nicht vergessen hatte. Rubin schenkte seinem Sohn wie üblich keinerlei Beachtung. Oft fragte Johanna sich, ob er Frederik unter einem Rudel Zweijähriger überhaupt erkennen würde.
»Selbst wenn ich Zweifel an deiner Treue hegte, Liebste, was nicht der Fall ist, würde ich einen besseren Geschmack von dir erwarten.« Rubins Lächeln wirkte unecht und hölzern. Ihm spukten andere Dinge im Kopf herum. »Ion ist gestorben, Ladislas’ Sohn.«
Von Ion hatte sie noch nie gehört, aber Markgraf Ladislas herrschte in der Markgrafschaft Trenko, dem Land jenseits des Pilgerpasses. Damit erklärte sich Volpes eiliger Auftrag, aber was um alles in der Welt hatte das mit ihr zu tun?
»Ich bedaure, das zu hören«, erwiderte sie zögernd.
Traurig schüttelte er den Kopf. »Das gilt für uns alle. Er war sehr jung. Ich möchte an der Beerdigung teilnehmen und hoffe, du willigst ein, mich zu begleiten und mir die Reise zu versüßen.« Fragend zog er die sorgsam gestutzten Augenbrauen hoch.
War sie etwa vom Balkon gestürzt und hatte eine Gehirnerschütterung erlitten? Sie sollte endlich aus dem Kerker gelassen werden? Zumindest auf Bewährung. »Ich
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