Der Tanz Der Klingen
Gewänder und den dämlichen Spitzhut stecken könne. Infolgedessen war Schwester Gertrude nun keine Schwester mehr, dafür arbeitslos.
Da selbst eine Zukunft als Bettlerin oder Küchengehilfin besser gewesen wäre, als nach Hause zurückzukehren und sich von ihren Brüdern anhören zu müssen, sie hätten es ihr ja schon vor Jahren gesagt, hatte sie beschlossen, in die Dienste des Herzogs einzutreten. Nach außen hin mochte er wohl großspurig und beleibt wirken, aber immerhin war er zugleich seine bezaubernde und bewundernswert starke Gemahlin. Diese zweischneidige Persönlichkeit schien eine hervorragende Einrichtung und eröffnete endlose Möglichkeiten. Jedenfalls konnte die arme Frau Trudys Fähigkeiten gewiss gut gebrauchen. Ihre beachtlichen Fähigkeiten. Bescheidenheit hatte Gertrude noch niemand vorgeworfen, vor allem nicht ihre Brüder, und sie hatte immer gewusst, dass sie ihre Klassengefährtinnen in Eichental weit überstrahlte, doch an jenem Vormittag war einem der blökenden Weiber herausgerutscht, wie hoch sie in der Wertung der Schwestern tatsächlich stand. Was sogar Gertrude überrascht hatte.
Nicht zu vergessen, dass der Herzog beziehungsweise die Herzogin nun von zwei glänzenden, frischgebackenen Klingen und dem faszinierenden Glockmann begleitet wurde, der sich im Gegensatz zu den Klingen nicht von Mündelproblemen ablenken ließe. Eine ausgedehnte Reise mit diesem Dreiergespann konnte sich als höchst lehrreich erweisen.
Trudys erste Schwierigkeit bestand darin, dass sie nicht mehr berechtigt war, sich als Weiße Schwester zu kleiden und den Palast unverzüglich verlassen musste. Zum Glück standen diese beiden Vorschriften in Widerspruch zueinander, denn sie besaß keine anderen Kleider.
Die zweite Schwierigkeit war, das herzogliche Wesen zu finden. Das Quamast-Haus war eine modrige Ruine, aus der immer noch Rauch aufstieg. Die krupinesische Gruppe war in unbekannte Gefilde gebracht worden, wurde von der Außenwelt abgeschirmt und hatte zweifellos eigenen Arger mit Inquisitoren. Jedenfalls stießen ihre Erkundigungen auf ahnungslose Blicke oder bestenfalls ein entschuldigendes Lächeln, obwohl sie in Erfahrung zu bringen vermochte, dass sich das Ziel ihrer Suche noch innerhalb der Grenzen von Palast Sorglos aufhielt. Ohne jede Spur wäre es einer Lebensaufgabe gleichgekommen, das gesamte Anwesen zu durchstöbern, aber Trudy hatte jede Menge Anhaltspunkte. Wenngleich der Trugbann des Herzogs kaum zu erspüren war, konnte sie den Schein einer Klinge durchaus wahrnehmen. Je mehr Klingen beisammen waren, desto heller schimmerten sie. Ähnlich zeigten sich Inquisitoren, wenn sie in Schwärmen auftraten, oder in Rotten, oder wie auch immer es richtig heißen mochte.
Trotz allem musste sie eine geschlagene Stunde durch allerlei Gänge wandern, bevor sie eine Anhäufung von Klingen entdeckte. Mit diesem geistigen Ziel vor Augen erklomm sie zwei Treppenfluchten in einen Bereich, den sie noch nie besucht hatte, und wo sie ein ganzes Zimmer voll Klingen fand. Etwa ein Dutzend saß um einen Tisch und würfelte. Als die Männer Trudy bemerkten, richteten sie vielsagende Blicke auf sie, wie es für Klingen üblich war. Der Mann, der aufstand und zur Tür kam, um mit ihr zu sprechen, war Sir Tancred, der Stellvertretende Befehlshaber, was bewies, wie ernst die krupinesische Angelegenheit nunmehr in Sorglos genommen wurde.
Er war zu alt für sie, außerdem verheiratet, aber er besaß ein bezauberndes Lächeln. »Was für eine angenehme Überraschung, Schwester Gertrude. Wie kann ich Euch helfen?«
»Was?« Körbe mit Brötchen und Käse auf dem Tisch riefen ihr brüllend in Erinnerung, dass sie den ganzen Tag noch nichts gegessen hatte. »Oh, ich möchte zum Großherzog.«
»Darf ich fragen, auf wessen Geheiß?«
»Auf sein Geheiß. Ich arbeite mittlerweile für ihn. Wusstet Ihr das nicht?«
Da der Großherzog es selbst noch nicht wusste, war es eine ungerechte Frage, aber sie zeigte Wirkung. Tancred führte sie in einen inneren Raum, in dem Mutter Veilchen Mutter Giselle Gedichte vorlas. Trudy fragte sich, wie sie den Inquisitorengestank ertrugen, denn die Schnüffler mussten erst kürzlich an diesem Ort gewesen sein. Vielleicht waren die beiden nicht in der Lage, den Restmoder zu spüren. Als Trudys vergnügtes Lächeln an ihnen vorbeizog, blickten sie zwar argwöhnisch auf, doch offenbar hatten sie noch nicht von ihrer Entlassung erfahren.
Tancred klopfte an eine Tür. Kurz darauf wurde sie
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