Der Tanz des Maori (epub)
noch ein paar Nachhilfestunden in Ihrem Akzent, und die Sache wäre in trockenen Tüchern!«, strahlte Katharina.
Sie schüttelten sich noch einmal die Hände, um den Vertrag mit ihren neuen Arbeitgebern zu besiegeln. Dann gab Tim eine Runde Bier aus â und etwas später am Abend fanden die beiden jungen Frauen sich auf der kleinen Veranda ihrer Hütte wieder. Für einen Moment setzten sie sich auf die alten Stühle, die unter ihrem Gewicht leicht knarzend nachgaben. Der Himmel war sternenübersät, das Kreuz des Südens stand strahlend am Himmel, während sich die Mondsichel in den Wellen des Pazifiks spiegelte.
»Es ist einfach unglaublich, wie viel Glück wir haben!«, seufzte Sina. »Von so einem Ort wagt man ja nicht einmal zu träumen! Hast du gehört, wie Caroline erzählt hat, dass hin und wieder sogar Delfine in der Bucht spielen? Ich möchte hier nicht mehr weg!«
Katharina lachte. »Quatsch. Für ein paar Wochen ist das in Ordnung, aber dann würde dir wahrscheinlich deine Medizin fehlen. Du eignest dich doch auf Dauer gar nicht als Naturmädel!«
Sina lachte mit ihr. Aber ganz heimlich musste sie zugeben, dass sie sich ein Leben fern von jedem Stress immer besser vorstellen konnte. Das Einzige, was sie an diesem Neuseeland immer noch störte, waren die wiederkehrenden Träume von dem wütenden Mann im Regen ⦠Aber vielleicht wurde es ja besser, wenn sie hier in Port Levy etwas zur Ruhe kamen.
3.
Mit einem gewaltigen Knattern schwebte der Helikopter durch die verschlafene Bucht. Einige Möwen protestierten mit schrillem Geschrei gegen diesen Angriff auf ihre Ruhe â aber die Pferde und Schafe hoben nicht einmal mehr den Kopf. Sie waren an diesen Besuch an jedem zweiten Tag gewöhnt. Und auch Sina und Katharina standen inzwischen routiniert mit einem breiten Lächeln am Landeplatz. Nach nur zwei Wochen wussten sie: Diese »Kiwi-Experience« war für die Farm eine der wichtigsten Geldquellen überhaupt.
Offensichtlich fehlte Japanern in den Flitterwochen vor allem eines: Zeit. Die sechs Tage, die sie meistens nur zur Verfügung hatten, mussten sie möglichst effektiv nutzen. Deswegen war Caroline gemeinsam mit einem Helikopter-Unternehmen auf die Idee des Kurz-Urlaubs in Port Levy verfallen. In nur drei Stunden erlebten die Besucher dabei alles, was eine echte neuseeländische Farm ausmachte. Der Helikopter landete, und der Motor erstarb mit einem letzten Knattern. Die Tür öffnete sich, und zwei Pärchen sprangen lächelnd heraus. Sie hatten jetzt zwanzig Minuten lang Banks Peninsula von oben erlebt, nun warteten schon die gesattelten Pferde auf sie.
Sina streichelte über die Nase des zierlichen Rappen, der sie als erstes Pferd begrüÃt hatte. Längst wusste sie, dass es sich um den freundlichen »Smokey« handelte â ausgestattet mit dem perfekten Gemüt, um einen Touristen über die Hügel zu tragen. Keine Stunde später pfiff Tim nach seinen Hütehunden, die eine kleine Herde routiniert über eine Koppel trieben, einen Hammel aussortierten, durch ein Tor schickten und sich dann hechelnd niederlieÃen. Applaudierend verschwanden die Japaner in der Scheune, in der die Schafe geschoren wurden. Jetzt war zwar die völlig falsche Jahreszeit für eine Schafschur â aber Tim führte trotzdem vor, wie er in Windeseile einem der blökenden Tiere seine noch relativ kurze Wolle abnahm.
Zum Abschluss des Vormittags landeten saftige Lammsteaks auf dem Grill, während Sina und Katharina mit einem strahlenden Dauerlächeln Bier anboten. Und sehr un-neuseeländischen Sake. Der kleine Stilbruch schien vor allem bei den Männern gut anzukommen. Bevor sie sich allerdings allzu gemütlich niederlieÃen, wurden sie schon wieder von dem Piloten in den Hubschrauber gescheucht und verschwanden knatternd über den Hügeln. Grinsend wandte Sina sich an Caroline. »Ich kann es immer noch nicht glauben, dass noch niemand auÃer Ihnen diese Idee hatte!«
Caroline zuckte verlegen mit den Achseln. »Zumindest in Christchurch â in Queenstown hätte ich mehr Konkurrenz. Wahrscheinlich sind es einfach meine Kiwi-Gene: Wir probieren gerne immer wieder etwas Neues aus. Unsere Vorfahren waren schlieÃlich Auswanderer, die nichts dabei fanden, in eine völlig ungewisse Zukunft aufzubrechen â sie waren sich total sicher, dass alles besser werden
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