Der Tanz des Maori (epub)
einmal zu diesem Treck über die Hügel der Halbinsel hatte verlocken lassen. Sicher: Beide hatten in ihrer Kindheit die komplette Freizeit auf irgendwelchen Reiterhöfen verbracht. Aber ihr letzter Ausflug im Sattel lag fast ein Jahrzehnt zurück. Trotzdem liefen sie jetzt die ausgewaschene Auffahrt zur »Port Levy Farm« hinauf.
Auf Katharinas energisches Klopfen hin öffnete eine zierliche Frau mit einem akkuraten Pagenkopf die Tür und sah sie streng über ihrer dunklen Hornbrille an. »Seid ihr angemeldet?«
»Nein«, begann Sina. »Aber â¦Â«
Die Frau schüttelte den Kopf. »Ich habe so viel zu tun, dass ich nicht weiÃ, wo mir der Kopf steht. Tut mir leid, aber ohne Anmeldung kann ich keine Ritte mehr veranstalten!« Sie warf ihnen noch ein entschuldigendes, nicht unfreundliches Lächeln zu. Und damit wollte sie die Tür auch schon wieder schlieÃen.
Katharina strahlte die Frau an. »Wir würden Ihnen gern helfen. Wir können reiten. Vielleicht können wir ja für Sie die Trecks leiten?«
Sina blieb vor Schreck fast der Mund offen stehen. Wie konnte Katharina nur so etwas Verrücktes vorschlagen? Noch gröÃer war ihre Ãberraschung allerdings, als die Frau die Tür wieder öffnete und sie beide von oben bis unten musterte. »Ihr könnt reiten?«, fragte sie. Das Misstrauen in ihrer Stimme war nicht zu überhören.
Katharina nickte. »Seit unserer Kindheit.«
»Ich kann nichts zahlen. Nur ein Taschengeld, Kost und Logis. Wenn euch das reicht â¦Â« Die Frau sah sie fragend an.
Katharina nickte heftig, während Sina nur hoffte, dass sich die Pferde nicht als wilde Mustangs entpuppten, die sie erst zureiten mussten. Ihre Erfahrung im Sattel beschränkte sich auf freundliche Reitschulpferde.
Einen Moment lang schien die Frau noch hin- und hergerissen zu sein. Dann fällte sie ihre Entscheidung. »Kommt mit«, winkte sie und führte sie ohne groÃe Umschweife zu einer kleinen weiÃen Hütte, die direkt am Meer lag. Sie öffnete die Tür und deutete auf ein Stockbett, das vor einer geblümten Tapete stand. Daneben ein kleiner Tisch mit einem Radio, das auch gut in ein Museum gepasst hätte. Ein leise vor sich hin brummender Kühlschrank und ein wackelig aussehender Küchenschrank vervollständigten die Einrichtung. Sehr schlicht, aber sauber. Mit einer Aussicht von der kleinen Terrasse, die bei einem Luxushotel nicht besser sein konnte: Pferde auf der Koppel und eine malerische Bucht des Pazifiks.
Die Besitzerin zeigte ihnen noch eine zweite Hütte, die verborgen von ein paar Büschen ein paar Meter entfernt stand. »Da findet ihr eine Dusche und könnt euer Geschirr abspülen. Oder ihr tragt es zu mir in das Haupthaus, ich habe eine Spülmaschine.«
Sie sah ihre beiden Ãberraschungs-Besucher noch einmal aus ihren sehr hellen Augen an. »Und ihr seid euch sicher, dass ihr reiten könnt?«
Katharina nickte. Sina bemühte sich um ein Gesicht, das ihre Zweifel nicht zu deutlich zeigte. Erst jetzt schien die Frau überzeugt zu sein. Sie streckte ihnen ihre schwielige, braun gebrannte Hand entgegen. »Ich heiÃe Caroline. Auf der Farm kümmert sich mein Mann um die Schafe und ich um die Pferde. Wir bieten verschiedene Trecks an: vormittags, nachmittags, zum Sonnenuntergang und auf Wunsch auch über einen oder mehrere Tage. Am besten kommt ihr heute Abend mit auf den Sunset-Treck. Dann lernt ihr gleich die Pferde und die Strecke kennen. Danach können wir darüber reden, ob ihr diesen Job wirklich haben wollt.«
Noch bevor sie sich mit Katharina groà absprechen konnte, fand Sina sich mit einem schweren Sattel im Arm vor einem stämmigen braunen Wallach wieder. Er schien sich an ihrer Gegenwart nicht zu stören und döste mit halb geschlossenen Augen weiter. Sie wuchtete das Teil auf seinen Rücken â und erinnerte sich mit einem Mal wieder an die vertrauten Handgriffe ihrer Kindheit. Sie rückte den Sattel in die richtige Position, zog den Sattelgurt fest und streifte das Zaumzeug über den klobigen Kopf von »Woody«. So hieà das Tier, wie ihr seine Besitzerin mitteilte.
Wenig später lenkte sie ihr Pferd auf einen schmalen Pfad, der oberhalb des Meeres hinaus auf eine Landzunge führte. Es roch nach trockenen Tannennadeln, Eukalyptus und vom Meer her nach trocknendem Tang. Schon nach hundert Metern fühlte Sina
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