Der Tanz des Maori (epub)
weiter.«
Merkwürdig. Er redete über mich, während ich direkt daneben stand und bei seinen Gästen den Wein nachschenkte. Ihm war das gewiss nicht einmal wirklich bewusst. Jetzt mischte sich ein kleiner Mann mit einem merkwürdig mausartigen Gesicht in das Gespräch. »Was wird denn jetzt aus Ihrer Mine?«, wollte er wissen.
»Wenn ich Glück habe, dann kauft die Coal Company dieses Loch«, knurrte Angus. »Ich finde keine Arbeiter. Die Coal Company stellt jeden ein, der eine Hacke halten kann. Und die Maoris glauben, dass Matakite verhext ist.«
Der Mann zückte einen kleinen Block. Ein abgekauter Bleistift tauchte in seiner Hand auf und schwebte wartend über dem Papier. »Das habe ich noch gar nicht gewusst â die Company will wirklich Matakite kaufen? Wie weit sind die Verhandlungen? Kann ich das schon schreiben?«
Angus zuckte mit den Schultern. »Von mir aus kannst du das schreiben. Die zwei Arbeiter, die ich bisher anstellen konnte, können auch aus der Zeitung erfahren, dass sie doch keinen Vertrag mit mir haben.«
Der Mann zitterte fast vor Aufregung über diese unerhörte Neuigkeit. »Und was sind Ihre Pläne in der Zukunft, Mr. MacLagan? Was nehmen Sie als Nächstes in Angriff?«
»Ich verschwinde. Ich habe die Schnauze voll von der Westküste.« Angus stieà diese Sätze mit einem Zorn aus, dass sich alle Köpfe ihm Raum zu ihm umdrehten. Offensichtlich hörten die meisten seiner Bekannten jetzt zum ersten Mal von seinen Umzugsplänen.
»Und wo geht es hin?« Ich hatte den Eindruck, dass dieser Reporter regelrecht nach Neuigkeiten gierte. Was natürlich Unfug war, es handelte sich eben einfach um einen besonders neugierigen Journalisten.
»Das habe ich noch nicht entschieden«, erklärte Angus. »Es wird noch eine Weile dauern, bis ich meine Angelegenheiten hier geregelt habe. Erst dann werde ich entscheiden, wo ich meine Zukunft sehe.«
Das war wirklich überraschend, aber mir fiel ein gewaltiger Stein vom Herzen. Wenn Angus aus dieser Gegend verschwand, dann konnte ich hier leben, ohne ihn immer wieder sehen zu müssen â und an diese schreckliche Nacht in der Küche erinnert zu werden. Mit ein bisschen Glück musste Anaru nie etwas erfahren ⦠Anaru, dem ich seit Tagen immer wieder gesagt hatte, dass ich ihn nicht treffen könnte, weil ich mit der Beerdigung zu viel zu tun hätte. Aber nach dem heutigen Tag würde er diese Ausrede wohl kaum mehr gelten lassen.
Der Reporter klappte sein Notizbuch wieder zu und wandte sich zum Gehen. »Sie müssen verstehen, dass ich noch kurz in der Redaktion vorbeischauen muss. Die Nachricht vom Verkauf von Matakite wird viele interessieren, da bin ich mir sicher!«
Damit verschwand er. Angus sah ihm nicht lange hinterher. Stattdessen schwenkte er sein Glas in meine Richtung. »Ich möchte mich betrinken!«, rief er dabei. »Wer hilft mir, die Trauer über meine arme Miriam zu ersäufen?«
Ich war wenig überrascht, dass sich einige Männer bereiterklärten, sich gemeinsam mit Angus zu betrinken. Wenn es kostenlosen Alkohol gab, dann war den meisten von ihnen der Anlass reichlich egal. Bis spät in die Nacht holte ich anfangs Wein und später Whisky und füllte die Gläser der besoffenen Männer. Marama schickte ich bei diesem Trinkgelage nach Hause â ich hatte zu viel Angst um sie. Wer weiÃ, was den Männern beim Anblick einer jungen Maori alles einfiel? Irgendwann stellte ich die Flaschen einfach auf den Tisch und sah nach Junior. Der lag mitten im Zimmer auf einem Teppich und war eingeschlafen. Vorsichtig legte ich eine Decke über ihn. Er wachte auf und fing leise an zu weinen. Ich setzte mich zu ihm und begann, seinen Rücken zu streicheln, bis er wieder einschlief. Dann legte ich mich daneben auf den Boden und war innerhalb weniger Minuten tief und fest eingeschlafen. Egal, was Angus von zu viel Liebe hielt und wie sehr er die Verhätschelung von seinem Stiefsohn fürchtete: Heute Nacht wollte ich Junior nicht alleine lassen.
In den nächsten Tagen lenkte mich nichts mehr von den Ereignissen rings um Miriams Tod ab. Ganz allmählich musste ich einen Plan für meine Zukunft entwerfen. Angus würde irgendwann wegziehen â aber wollte ich wirklich so lange unter einem Dach mit ihm wohnen? Gleichzeitig fühlte ich mich für Junior verantwortlich. Der Kleine hatte nur noch
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