Der Tanz des Maori (epub)
selber wünschen würde. Der Pfarrer war zum Glück bereit, darüber hinwegzusehen, dass Miriam sich das Leben genommen hatte, und besprach den Ablauf der Beerdigung mit mir. Die Einladungen trug ich in ganz Seddonville aus. Für den Leichenschmaus musste ich vorkochen, den Salon mit Trauerflor schmücken ⦠Bis zur Beerdigung kam ich nicht ein einziges Mal dazu, mir Gedanken über mich selbst zu machen. Oder über meine Zukunft. Denn eines war wohl völlig klar:
Im Haus der MacLagans konnte ich nach dem Vorfall in der Küche nicht bleiben.
Junior merkte, dass seine ohnehin brüchige Welt noch unsicherer wurde und ihm kaum noch Halt bot. Er klammerte sich an meinen Rockzipfel und folgte mir wie ein ängstlicher Schatten. Wenn ich nur einen Augenblick auÃer Sichtweite war, rannte er umher und suchte mich mit weit aufgerissenen Augen. Am Morgen der Beerdigung zog ich ihm dunkle Hosen und eine dunkle Jacke an, die ich beim Schneider für ihn bestellt hatte. Er sah überaus niedlich darin aus. Seine blonden Haare hingen ihm bis auf den Kragen, seine blauen Augen sahen groà und viel zu ernst in die Welt. Er hatte sehr früh die babyhafte Anmutung verloren und sah schon jetzt wie ein kleines, dünnes Kind aus. Ich drückte ihm noch einen Hut auf den Scheitel und nickte ihm dann aufmunternd zu. »Komm jetzt, wir dürfen nicht zu spät kommen.«
Er folgte mir brav bis in die Kirche, wo wir neben Angus Platz nahmen. In diesem Augenblick sah ich Angus das erste Mal seit dem Tod Miriams und der unglückseligen Nacht in der Küche. Er sah mich nur kurz an und nickte zur BegrüÃung. Ich erwiderte sein Nicken und setzte mich neben ihn.
Schon beim Orgelvorspiel liefen Angus die Tränen über die Wangen. Verstohlen sah ich immer wieder zu ihm hin. Er wischte sich mit ungeduldigen Bewegungen die Tränen weg, so als ob ihm seine eigene Rührung peinlich sei. Klammheimlich dachte ich mir, dass er Miriam nie seine Liebe gezeigt hatte â auÃer auf seine grobe Art. Womöglich der einzige Weg, seine wenigen Gefühle zu zeigen, die er hatte.
Am Ende des Gottesdienstes verlieà er die Kirche hinter dem Sarg und führte die trauernden Freunde bis zum Friedhof. Ich gab Junior einen kleinen Schubs. »Geh zu deinem Vater. Er braucht dich jetzt und freut sich, wenn du an seiner Seite gehst.«
Der kleine Junge schüttelte entschlossen den Kopf und sah mich mit seinen groÃen Augen an: »Will nicht!«, erklärte er entschlossen. Ich wusste, dass ich ihn nicht zwingen konnte. Nicht, wenn ich ein laut heulendes Kind bei dieser Beerdigung vermeiden wollte. Also blieb ich mit ihm in der zweiten Reihe. Sah mit ihm an der Hand zu, wie der Sarg in die dunkle Grube hinuntergelassen wurde, wie Angus eine Schaufel voller Erde auf den Sarg seiner Frau warf. Und musste selber mit den Tränen kämpfen, weil ich an die fröhliche, unbeschwerte Miriam denken musste, die einst in unser Haus gekommen war. Ihr hatte das Abenteuer Westküste nichts Gutes gebracht. Nur Unglück und Tod. Dabei wollte sie nichts als Freude und Liebe. Ich drückte die schmalen Schultern von Junior. Jetzt musste er also irgendwie alleine mit seinem launischen Stiefvater zurechtkommen. Gut, dass Ava dieses Drama nicht mitbekommen hatte.
Bei dem anschlieÃenden Leichenschmaus fanden sich Geschäftspartner und Freunde von Angus ein. Noch deutlicher hätte es nicht werden können, dass Miriam keine Freunde in Seddonville gehabt hatte. Nur Ava und mich.
»Und was machst du jetzt? Betty heiraten?« Mit Erschrecken erkannte ich den Pfandleiher Turnbull, der Ava keinen einzigen Cent gegeben hatte. Er hatte dem Wein reichlich zugesprochen und schlug Angus mit einem anzüglichen Grinsen auf die Schulter. »Bei der hast du doch sowieso in den letzten Monaten mehr Zeit verbracht als bei deiner Miriam!«
Angus schüttelte mit einer heftigen Bewegung die verschwitzte Hand von Turnbull ab. »Das kann man doch nicht vergleichen! Betty ist keine Frau zum Heiraten, das ist etwas ganz anderes als bei meiner Miriam.«
Turnbull zuckte mit den Achseln. »Mehr Spaà hat man mit Betty als mit einer Miriam ⦠Auf jeden Fall brauchst du bald wieder eine Frau. Dein Stiefsohn braucht schlieÃlich eine Mutter.«
»So sehr eilt das nicht«, winkte Angus ab. »Mein Hausmädchen kann sich erst einmal um ihn kümmern. Dann sehe ich
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