Der Tanz des Maori (epub)
Pfarrer â und zu meinem groÃen Missfallen auch MacLagan. Denson hatte ihn wohl eingeladen â kein Wunder, er wusste ja immer noch nicht von den unziemlichen Annäherungen seiner Verlobten gegenüber. Ava konnte an diesem Tag allerdings nichts und niemandem böse sein. Sie lachte und scherzte mit allen Gästen, probierte immer wieder von den Köstlichkeiten, die wir in den letzten Tagen gemeinsam zubereitet hatten â und natürlich dem Wein und sah Denson von Zeit zu Zeit mit einem kleinen Lächeln an. Sie schien sich wegen der Hochzeitsnacht keine Sorgen zu machen.
»Das ist doch alles nur natürlich!«, hatte sie mir noch vor ein paar Tagen erklärt, als ich es wagte, ein paar Fragen zu stellen. Immerhin war ich erst vierzehn und begann mich langsam dafür zu interessieren, was da in der Hochzeitsnacht geschah. Die Gäste waren sehr diskret und verabschiedeten sich mit dem Einbruch der Dunkelheit. SchlieÃlich blieb nur noch das Hochzeitspaar im Salon zurück. Sie schienen mich nicht einmal wahrzunehmen, als sie sich in die Augen sahen und die Arme umeinander schlangen.
»Ich habe so darauf gewartet«, wisperte John in die Haare seiner Frau. Seine Hände glitten über ihre schmale Taille und streichelten über ihren Rücken. Ich errötete allein bei dem Anblick â hielt aber meinen Blick gesenkt und deckte so schnell wie möglich den Tisch ab.
Mindestens ebenso leidenschaftlich erwiderte Ava seine Küsse. Zu meinem Entsetzen öffnete sie mitten im Kuss sogar ihren Mund â das hatte ich bis zu diesem Augenblick noch nie gesehen. Kurz bevor es wirklich peinlich für mich wurde, klirrten zwei Gläser in meinen Händen aneinander.
Das Paar löste sich sofort voneinander und sah mich schuldbewusst an.
»Verzeihe uns, Ruiha. Wir haben dich gar nicht bemerkt und wähnten uns alleine«, stammelte Ava schlieÃlich. »Du hast für heute frei â wir benötigen deine Dienste nicht mehr.« Ich nickte und zog mich zurück. Aber ich war mir sicher, dass die beiden in dieser Nacht nicht viel schliefen.
Als ich sie am nächsten Morgen wieder sah, wirkte Ava wie eine echte Frau. Ihre Lippen waren voller, ihr Haar weicher, und ihr Gang verführerischer. Vor ihrer Hochzeit war sie ein hübsches Mädchen gewesen â jetzt war sie eine wunderschöne Frau.
9.
Ruiha schwieg und sah sinnend vor sich hin. Der Wein in ihrem Glas war schon lange warm geworden, die Uhr an der Wand zeigte an, dass Mitternacht vorbei war. Für einen Moment konnte die alte Maori sich kaum von der Vergangenheit lösen, dann schüttelte sie den Kopf, als ob sie die Geister vertreiben wollte.
»So habe ich Ava kennengelernt. So leid es mir tut, mein Kind, jetzt bin ich zu müde, um dir den Rest der Geschichte zu erzählen.« Mühsam stand Ruiha auf. »Aber du kannst gerne wiederkommen, dann erzähle ich dir den Rest â bis jetzt kennst du ja nur einen winzigen Teil.«
Sina nickte. »Das ist wahr. Ich verstehe immer noch nicht, was diese Geschichte mit mir zu tun haben soll â aber sie ist unglaublich spannend. Es ist schwer, sich vorzustellen, auf was für Abenteuer sich manche Frauen damals eingelassen haben. Eine Reise um die halbe Welt, um einen Mann zu heiraten, den man nur von ein paar Briefen kennt ⦠unvorstellbar.«
»Und doch war es damals nicht so ungewöhnlich«, nickte Ruiha. Sie stellte die Teller zusammen und verschwand Richtung Küche. Sina ging ihr noch zur Hand und half ihr, das Geschirr abzuspülen. Dann verabschiedete sie sich.
»Ich darf wirklich wiederkommen?«
Ruiha drückte ihre Hand. »Wann immer du willst. Komm doch einfach morgen wieder. Vielleicht möchtest du ja deine Freundin mitbringen?«
Sina nickte begeistert. »Ja, gerne. Katharina liebt alte Geschichten. âºAbenteuer in Schwarz-weiÃâ¹ nennt sie das immer.«
»Sie werden noch farbig genug, glaube mir«, lächelte die alte Frau und verschwand in ihrem Haus.
Einen Augenblick lang sah Sina die Holztür mit der abblätternden Farbe an. Sie konnte es kaum glauben, wie schnell dieser Abend vorübergegangen war. Sie hatte das merkwürdige Gefühl, als ob die Geister von Ava und John Denson um sie herumtanzten. Was mochte aus diesem ungewöhnlichen Paar nur geworden sein? Ob die Nachkommen noch in Seddonville lebten? Nachdenklich lief sie die StraÃe zu Mary-Anns Haus
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