Der Tanz des Maori (epub)
erst einmal keine Gedanken machen. Aber jetzt wollen wir von etwas Erfreulicherem reden und unsere anderen Gäste nicht weiter mit dem Gerede über Kohle langweilen, nicht wahr?«
MacLagan schien sich von dem Thema nur mühselig lösen zu können. Aber das Gespräch drehte sich für den Rest des Abends nur noch um die bevorstehende Hochzeit. MacLagan hörte eine Weile mit gelangweiltem Gesicht zu und verabschiedete sich schlieÃlich. Ich habe innerlich gejubelt, als ich ihn zur Tür begleitete. Für mein Gefühl war er ein besonders unangenehmer Zeitgenosse â¦
Leider war er wenige Tage später schon wieder bei uns. Es klopfte an der Tür â und als ich öffnete, stand er schon wieder in seinem braunen Anzug vor mir. »Könnten Sie mich bitte bei Miss Ava melden?«, fragte er dreist. Als ich ihm erklärte, dass Miss Ava nicht zu Hause sei, verschwand er wieder. Um nur einen Tag später am Spätnachmittag erneut vor mir zu stehen. Diesmal wollte er Master John sprechen. Der empfing ihn sogar â die beiden Männer verschwanden für eine ganze Weile im Arbeitszimmer. Ich habe keine Ahnung, über was sie redeten â aber sie schienen sich beim Thema Kohle ganz gut zu verstehen. Und MacLagan war klug genug, sich nicht mehr an Ava heranzumachen. So schaffte er es wohl auch, dass er zur Hochzeit eingeladen wurde.
Sie fand wenige Wochen später statt. Ava hatte ihren Willen beim Schneider durchgesetzt. Sie trug ein neues, schmal geschnittenes Kleid, dem sie mit einem breiten Spitzenkragen eine festliche Note für den Anlass gegeben hatte. Dazu einen zierlichen Hut mit einem kleinen Schleier, der ihre Augen verdeckte. Für diesen Festtag lieà Ava das erste Mal ihre Haare offen. Sie fielen in groÃzügigen Wellen über ihren Rücken. Ich steckte Ava ein paar kleine, rote Blüten eines Baumes hinein und trat dann einen Schritt zurück.
»Das sieht wunderbar aus!«, nickte ich.
Nervös lächelte Ava und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Ist es nicht lächerlich, dass es mir plötzlich so wichtig ist, wie ich aussehe? Immerhin sehen mich nicht einmal meine Eltern â oder gar Schwiegereltern.«
»Aber Ihr künftiger Mann â und da ist es doch nur verständlich, wenn Sie besorgt sind. Aber machen Sie sich keine Sorgen: Sie sind einfach wunderschön.« Obwohl ich noch so jung war, versuchte ich sie zu beruhigen. Plötzlich fiel mir etwas ein. Ich rannte in mein Zimmer und wühlte in meinen Sachen. Ganz unten in einer Schublade fand ich, was ich suchte: ein kleines Stück Jade, glatt geschliffen von Jahrhunderten im Meer und in der Brandung. Die Wellen hatten nicht eine Kante übrig gelassen, die Jade bildete ein perfektes Oval. Sie lag in meiner Hand wie ein lebendiges Ding, als ich wieder zurück zu Ava rannte. Ich drückte ihr den Stein in die Hand.
»Bei meinem Volk bedeutet Jade Reichtum und Glück«, erklärte ich. »Und genau das wünsche ich Ihnen für die Ehe.«
Ava traten tatsächlich Tränen in die Augen. Gerührt nahm sie mich in den Arm. »Das ist so lieb von dir«, schluchzte sie. »Du hast keine Ahnung, wie sehr ich heute meine Familie vermisse.«
»Doch, das kann ich mir vorstellen«, erklärte ich ihr. »SchlieÃlich kann ich meine Familie wenigstens einmal im Monat sehen, und doch fehlen sie mir schrecklich. Da muss ich mir nur vorstellen, wie es wäre, wenn ich sie nie mehr sehen würde â da bräuchte ich auch ein Stück Jade. Und ein bisschen mehr.«
Ava atmete tief durch, strich mir noch einmal über das Haar und richtete sich auf. »Dann wollen wir mal in die Kirche gehen und aus mir eine Miss Denson machen â¦Â«
Die Zeremonie war einfach und dauerte nicht allzu lang. Die Ermahnungen dem Priester gegenüber hatten offenbar Gehör gefunden. Als er Ava und John fragte, ob sie sich ein Leben lang lieben und ehren würden, sahen die beiden sich fest in die Augen, und ihre Stimmen waren laut und kräftig, als sie »Ja!« sagten. Ich war mir sicher: Ich war Zeuge einer glücklichen Vereinigung geworden. Auch wenn mir der Anfang mit der Anzeige immer noch merkwürdig vorkam â¦
Nach der Kirche lud das frischgebackene Ehepaar die bessere Gesellschaft von Seddonville zu einem Empfang in den Salon. Da waren die Gemeinderäte, ein paar wichtige Menschen von der Coal Company, der
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