Der Tanz des Maori (epub)
Am Nachmittag zog sie mich ins Vertrauen: »Ich glaube, das ist der Mann, auf den ich in meinen kühnsten Träumen gehofft habe!«, flüsterte sie. »Er sieht nicht nur gut aus, sondern ist auch zuvorkommend und höflich. AuÃerdem träumt er wohl davon, endlich eine eigene Familie zu haben. Zumindest hat er so etwas angedeutet.« Sie sah mich ängstlich an. »Meinst du, er redet von einer gemeinsamen Zukunft mit mir? Wie ist denn sein Ruf in Seddonville?«
Ich schüttelte den Kopf. »Sein Ruf als Geschäftsmann ist der eines echten Draufgängers â aber ich habe noch keine schlimmen Frauengeschichten gehört, wenn es das ist, was du meinst. Das kann aber auch daran liegen, dass es hier in Seddonville nur wenige unverheiratete Frauen und Mädchen gibt â¦Â«
Miriam lächelte beruhigt. »Ein echter Gentleman, da bin ich mir sicher!«
Sie war in dem Stadium der Schwärmerei, in dem sie keine Ohren und keinen Verstand für Warnungen hatte. Ich bekam nur wenige Tage später mit, wie Ava sie noch einmal eindringlich vor Angus warnte. Aber Miriam tat diese Mahnungen mit einem Achselzucken ab. Später gestand sie mir sogar, dass sie der festen Meinung war, dass Ava eifersüchtig sei. Immerhin sah Angus so viel besser als ihr John aus ⦠Wie ich schon gesagt habe: Miriam war wirklich sehr jung! Und Angus tat wirklich alles, um sie zu beeindrucken: Er sorgte sogar in ihrem Beisein dafür, dass für Matakite neue Stützbalken bestellt wurden. »Man darf schlieÃlich nicht den Profit über die Sicherheit stellen!«, erklärte er dabei. Ich hielt ihn für einen Heuchler â aber ich behielt meine Meinung selbstverständlich für mich. Mehr stand mir als Dienstmädchen schlieÃlich auch nicht zu.
Ava wurde nicht nur runder, sondern auch ruhiger. Sie saà in den letzten Wochen ihrer Schwangerschaft viel auf der Veranda und sah in den Garten. Wenn ich mich zu ihr setzte, dann erzählte sie mir von den groÃen Plänen für ihre Kinder. »Sie werden in eine moderne, neue Zeit geboren â mit mehr Chancen als jemals zuvor. Ich wette, wenn sie erwachsen sind, dann liegt Neuseeland nicht mehr so unerreichbar weit von Europa. Und wer weiÃ? Vielleicht kann ich ihnen irgendwann einmal die Heimat ihrer Mutter zeigen â¦Â« Sie lächelte bei diesen Worten versonnen und streichelte ihren Bauch, der sich unter dem dünnen Baumwollkleid inzwischen deutlich abzeichnete. Ich konnte mir eine solche Zukunft nicht vorstellen. Für mich war schon ein Besuch auf der Nordinsel unerreichbar weit weg. Vor allem: Was sollte ich da? Ich kannte doch nur Seddonville, das Dorf der Maoris und Westport. Das war meine Heimat, was wollte ich mehr?
Mir war schon der schwarze Ford unheimlich, den John gekauft hatte. Ein stinkendes, klapperndes Gefährt, mit dem man unglaublich schnell von einem Ort zum anderen fahren konnte. Damals war ich sogar der Meinung, dass die Seele der Menschen unter dem hohen Tempo der Kraftfahrzeuge leiden würde. John war allerdings unglaublich stolz auf diesen »Einzug der Moderne« in sein Leben.
In ihrem Zustand war Ava kaum daran interessiert, dass in Matakite die Förderung der Kohle Monate früher als geplant begann. Die Mine fing an, Gewinn abzuwerfen. Der Kohlepreis stieg, genauso, wie Angus es vorhergesagt hatte. Und tatsächlich kauften die Händler jetzt auch die Kohle von den kleinen Minenbesitzern zu ordentlichen Preisen auf. Ich hörte zwar immer noch, wie John und Angus sich über die Führung der Mine stritten. Aber die Sicherheit war nicht mehr das Thema. Kein Wunder: Bei diesem Thema hatte sich John ja durchgesetzt, sodass die Anzahl der Stützpfosten erhöht wurde. Zumindest waren wir alle dieser Meinung.
Es war einer dieser klaren Herbsttage im Mai, als Ava ihr Kind bekommen sollte. Während sich drauÃen der leuchtend blaue Himmel über die wunderschöne Natur spannte, mühte Ava sich in ihrem Schlafzimmer mit der Geburt ihres ersten Kindes. Miriam und ich waren bei ihr. Miriam tastete immer wieder ihren Bauch ab und lächelte beruhigend. »Alles ist genauso, wie es sein sollte. Du wirst sehen: Es dauert beim ersten Kind etwas länger â aber es wird keine Probleme geben.«
Zwischen zwei Wehen wischte sie Ava liebevoll den Schweià von der Stirn. Ava lächelte dankbar. »Wie kann ich dir jemals für deine Hilfe danken?«
Miriam
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