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Der Tanz des Maori (epub)

Titel: Der Tanz des Maori (epub) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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gemacht …«
    Das Mädchen sah ängstlich über ihre Schulter und zog mich dann am Ärmel in das Innere des Hauses. »Komm herein, schnell!«, flüsterte sie.
    Sie zog mich in eine kleine Küche direkt neben dem Eingang und drückte mich auf die gemütliche Bank neben dem Ofen.
    Â»Master Angus hat mir das Versprechen abgenommen, mit niemandem darüber zu reden. Aber ich muss es jemandem sagen!«, brach es aus ihr hervor. »Miriam ist wahnsinnig geworden! Sie glaubt immer noch, dass ihre Tochter am Leben ist. Wir mussten das Baby mit Gewalt aus ihren Händen reißen …« Sie schluchzte und vergrub ihr Gesicht in beiden Händen. »Master Angus hat es einfach im Garten verscharrt. Er sagt, dass es nicht getauft ist und deswegen sowieso in der Hölle schmoren wird. Das kann ich aber nicht glauben, was hat so ein unschuldiges Wesen denn verbrochen?«
    Ich strich ihr tröstend über den Rücken. »Ich bin mir sicher, das Mädchen ist ein ganz besonders hübscher Engel mit einem ganz besonderen Platz im Himmel … Wie geht es Miriam denn jetzt?«
    Das Mädchen – ich wusste noch nicht einmal ihren Namen – schüttelte noch einmal den Kopf und brach gleich wieder in Tränen aus. »Sie verlässt ihr Zimmer nicht. Die Vorhänge sind immer geschlossen. Wenn ich zu ihr gehe, dann beschimpft sie mich. Sie stinkt, sie wäscht sich nicht. Sie … sie ist eine Irre!« Den letzten Satz stieß sie mit dem Mut der Verzweiflung aus.
    Ich streichelte sie weiter. »Was tut denn Master Angus?«
    Â»Der ist doch gar nicht hier. Er kommt alle paar Tage, gibt mir ein wenig Geld für den Markt, sagt mir, dass ich mit niemandem reden darf, und geht wieder …«
    Â»Wohin denn?« Meine Neugier war geweckt.
    Â»Irgendwo in Westport. Ich weiß es nicht.« Sie sah mich mit ihren verheulten Augen an. »Ich will auch gehen. Ich will nicht mehr auf eine Wahnsinnige aufpassen müssen!«
    Â»Wenn du nicht wärst, dann hätte die arme Miriam doch niemanden, der ihr helfen würde«, versuchte ich, sie zu trösten.
    Â»Ich kann ihr doch nicht helfen! Sie lässt mich nicht! Ich kann ihr nur hin und wieder etwas zu essen bringen. Manchmal rührt sie es überhaupt nicht an. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob sie etwas trinkt.« Allmählich beruhigte sie sich. Ich wurde allerdings immer besorgter. »Hat Master Angus denn einen Arzt geholt, der sich um sie kümmert?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Dann würden ja auch andere erfahren, wie schlecht es seiner Frau geht. Er lässt mich einfach mit ihr alleine und sagt immer wieder Sachen von der Zeit, die alle Wunden heilt. So ein Blödsinn, es wird von Tag zu Tag schlimmer!«
    Â»Soll ich mit ihr reden?«, bot ich an.
    Sie zuckte mit den Achseln. »Wenn du es schaffst, mit ihr zu reden, dann hast du schon ein Wunder vollbracht!«
    Das Mädchen hatte nicht übertrieben. Im Gegenteil: Die Wirklichkeit war noch sehr viel schlimmer. Als ich das Zimmer öffnete, drang mir ein ekelhafter Gestank in die Nase. Es roch nach Schweiß, Blut, Urin und verbrauchter Luft. Mein Magen verkrampfte sich, und ich würgte. Ich musste meinen Drang bekämpfen, mich einfach nur umzudrehen und wegzurennen. Und hier musste das magere Mädchen unten in der Küche tagaus tagein alleine für alles sorgen? Es war ein Wunder, dass sie nicht weggelaufen war!
    Entschlossen füllte ich meine Lunge noch einmal mit frischer Luft und ging dann, so schnell ich konnte zu den Fenstern. Mit einem Ruck riss ich die schweren dunkelgrünen Vorhänge beiseite und öffnete eines der großen Flügelfenster. Ein Schwall frische, kalte Luft drang herein. Erst jetzt wagte ich, einen Blick auf das Bett zu werfen. Und erkannte unsere fröhliche, hübsche Miriam nicht mehr wieder. Im Bett saß ein fahles Wesen mit verklebten Haaren, das mich mit aufgerissenen Augen anstarrte.
    Â»Verschwinde!«, zischte sie mit einer heiseren Stimme, die ich von ihr noch nie gehört hatte.
    Â»Auf gar keinen Fall!«, erwiderte ich. Gleichzeitig öffnete ich ihren Schrank und wählte ein bequemes, graues Wollkleid aus. Dazu frische Unterwäsche und Strümpfe. Ich legte alles auf einen Stuhl und drehte mich wieder zu Miriam um. Sie war in eine dumpfe Feindseligkeit versunken, sah mich düster an und murmelte Unverständliches. Hatte sie wirklich den

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