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Der Tanz des Maori (epub)

Titel: Der Tanz des Maori (epub) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emma Temple
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Verstand verloren, so wie das Mädchen es mir gegenüber behauptet hatte?
    Resolut zog ich ihre Bettdecke weg. Sie schrie zornig auf und krallte sich an der Decke fest – aber nach ein paar Wochen im Bett fehlte ihr die Kraft, um mir lange Widerstand zu leisten. Als die Decke schließlich von ihren Beinen rutschte, blieb mir vor Schreck der Mund offen stehen. Sie lag immer noch auf dem Laken, auf dem sie ihr totes Mädchen geboren hatte. Große Blutflecken waren längst braun vertrocknet, gelbe Flecken mochten von Urin oder Fruchtwasser stammen.
    Entsetzt rannte ich zur Tür und rief nach dem Mädchen in der Küche. »Komm sofort hierher und hilf mir. Und dann füllst du die Badewanne!«
    Energisch zerrte ich Miriam aus dem Bett. Anfangs wehrte sie sich noch, aber dann gab sie auf. Willenlos ließ sie sich von mir zu dem Sessel neben dem Bett geleiten, auf dem sie wieder in sich zusammensank. Aus ihrem Mundwinkel rann ein Speichelfaden, während sie mir ausdruckslos zusah. Wenigstens war das wirre Gemurmel endlich verstummt.
    Ich riss das Bettlaken herunter und sah die Matratze an. Sie sah nicht sehr viel besser aus … Zum Glück tauchte das Mädchen auf. Ich winkte sie zu mir her. »Komm, wir müssen diese Matratze herausnehmen. Ich glaube nicht, dass sie sich noch einmal reinigen lässt. Wo hat Master Angus denn sein Bett?«
    Das Mädchen deutete nach hinten. »Auf der anderen Seite des Flures. Er schläft hier aber nur selten, das habe ich doch schon gesagt …«
    Â»Umso besser. Wir tauschen die Matratzen einfach aus.« Ohne ihren Kommentar abzuwarten, wuchtete ich das schwere Ding aus dem Zimmer. Es verging bestimmt eine halbe Stunde, bis wir fertig waren. Ich schickte das Mädchen nach frischem Bettzeug – und sie sollte sich endlich um das Bad von Miriam kümmern. Ich bezog das Bett frisch, kehrte in dem Zimmer und machte schließlich den Kamin in der Ecke an.
    Dann nahm ich Miriams Hand, die sich feucht und schlaff anfühlte. In der Küche stand jetzt der Zuber mit dampfendem Wasser und wohlriechenden Badesalzen. Behutsam zog ich Miriam ihr Nachthemd über den Kopf und schmiss das stinkende, fleckige Hemd in die Ecke. Miriam sah erbarmungswürdig aus. An ihren Schenkeln klebten immer noch Blutreste, sie stank wie ein Schweinestall, in dem tote Fische gelagert wurden. So schnell es ging, hob ich sie in das Wasser und fing an, mit einem Schwamm ihren Rücken abzuseifen. Unter meinen Händen konnte ich spüren, wie sich die völlig verspannten Muskeln in Miriams Rücken wenigstens ein bisschen lösten.
    Aus einer Kanne ließ ich warmes Wasser über ihr Haar laufen. Dann sorgte ich mit reichlich Seife dafür, dass auch das Haar wieder sauber wurde. Miriam schloss bei dieser Behandlung dankbar die Augen. Ich konnte es einfach nicht glauben. Dieser Angus hatte also tatsächlich seine junge Frau nach einer Totgeburt mit einer viel zu jungen Dienerin alleine gelassen – und sich dann gewundert, dass seine Frau die Grenze zum Irrsinn schon fast überschritten hatte!
    Als wir Miriam aus ihrem Zuber hoben, lagen auf der Wasseroberfläche ölige Schlieren. Ich rieb sie mit einem Handtuch trocken und drückte ihr dann die Unterwäsche in die Hand. Sie sah sie nur verständnislos an. Meine Hoffnung auf eine sofortige Heilung durch ein warmes Bad und ein bisschen Zuwendung war wohl zu groß gewesen. Mit einem Seufzer zog ich sie an. Miriam ließ es über sich ergehen wie eine lebensgroße Puppe. Zum Abschluss zog ich ihr noch das Wollkleid an und befahl dem Mädchen, ihrer Herrin eine kräftige Suppe zu machen.
    Erst jetzt wachte Junior auf, der die ganze Zeit in seine Decke gewickelt friedlich geschlummert hatte. Mit einem kräftigen Quäken verkündete er, dass er jetzt Hunger hatte. Bei dem Geräusch schien Miriam das erste Mal aufzuwachen. »Mein Baby hat Hunger?«, fragte sie zögernd.
    Ich konnte nur bedauernd den Kopf schüttelnd. »Nein, das ist Avas Baby, der kleine Junior. Aber du hast recht: Er hat wirklich Hunger!«
    Zum Glück hatte das Mädchen – inzwischen wusste ich, dass sie Marama hieß – einen Eintopf gebracht, den sie für sich selbst gekocht hatte. Junior und Miriam verspeisten einträchtig jeweils einen Teller davon. Dann schob Miriam ihren Teller beiseite und schloss die Augen. Eine Träne zeigte sich auf ihren blassen Wangen.

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