Der Tanz des Maori (epub)
tatsächlich heiraten.
In den nächsten Tagen besuchte ich Miriam regelmäÃig. Ihre Trauer verschwand nicht einfach über Nacht, wie ich es erhofft hatte. An manchen Tagen konnte ich nicht mit ihr sprechen, schaffte es nicht einmal, sie dazu zu bewegen, ihr Bett zu verlassen. An anderen sprach sie ganz normal mit mir und wagte sogar hin und wieder einen zaghaften Scherz. Aber diese Tage waren selten. Am schlimmsten war es immer, wenn Angus für ein paar Stunden zu Besuch gewesen war. Dann versank Miriam für ganze Tage in Grübeleien, wollte nicht reden, nichts essen und auch sonst nichts tun. Es kam vor, dass ich der Verzweiflung nahe war: Ob unsere fröhliche, lachende Miriam zusammen mit ihrer kleinen Tochter gestorben war?
Es vergingen noch einmal zwei Wochen seit meinem ersten Besuch bei Miriam, als Angus plötzlich an unsere Haustür klopfte. Da ich immer noch keine neue Stellung gefunden hatte, wohnte ich bei Ava â und das, obwohl ich nicht mehr für sie arbeitete. Ich öffnete die Tür, und Angus stand mir gegenüber. Er lächelte mich freundlich an, obwohl es mir eher so vorkam, als ob er seine Zähne fletschen würde.
»Ich würde gerne Mrs. Ava sprechen!«, erklärte er.
»Ich werde sehen, ob sie empfängt«, erwiderte ich und rannte die Treppe zu Johns Arbeitszimmer empor, in dem Ava sich wieder einmal in den Unterlagen vergraben hatte. Als ich in das Zimmer platzte, sah sie mich ungehalten an. »Was gibt es denn, Ruiha?« Auf ihrem Schoà sah ich ein paar Verträge, eng beschrieben und mit irgendwelchen Siegeln versehen.
»Master Angus! Er steht unten an der Tür!«, platzte ich heraus.
»Was will er denn?«
»Das hat er nicht gesagt, er möchte Sie sprechen!«, erwiderte ich.
Stirnrunzelnd erhob Ava sich. »Dann führe ihn doch in den Salon und mache uns einen Tee. Ich mache mich noch schnell zurecht.« Entschuldigend lächelte sie mich an. »Ich weiÃ, du bist nicht mehr meine Angestellte, aber könntest du das trotzdem tun? Ich möchte mir vor diesem Mann keine BlöÃe geben!«
Ich nickte und rannte wieder die Treppe nach unten. Zu meinem Entsetzen hatte es sich Master Angus inzwischen auch ohne Einladung im Salon gemütlich gemacht. Ich setzte meinen kühlsten Blick auf. »Mrs. Ava kommt gleich. Wenn Sie warten würden?«
»Aber sicher ⦠Ruiha. Das war doch dein Name, oder?« Schon wieder schenkte er mir dieses eigentümliche Lächeln.
Unsicher nickte ich. »Ja. So heiÃe ich.«
»Bist du denn mit deiner Stellung hier zufrieden?« Lauernd sah er mich an.
Ich nickte nur. Was ging denn diesen Mann an, für wen ich arbeitete?
»Und die Bezahlung? Ist sie so gut, wie es ein hübsches Mädchen wie du verdient?«
Wieder nickte ich. Ich fühlte mich in dieser Unterhaltung mehr als unbehaglich. Besonders, als Angus noch einen Schritt auf mich zu machte und nur wenige Zentimeter von mir stand. Er musterte mich genau, legte sogar einen Finger unter mein Kinn, um mein Gesicht genau anzusehen. Ich war wie gelähmt, konnte nicht zurückweichen. »Hübsch bist du auch noch!«, erklärte er schlieÃlich, wandte sich plötzlich von mir ab und ging zum Fenster. Er sah hinaus, als sei drauÃen etwas besonders Spannendes zu sehen.
Zu meiner Erleichterung betrat in dem Moment Ava den Salon. Sie hatte innerhalb weniger Minuten ein schlichtes, schwarzes Kleid angezogen und ihre Haare streng nach hinten gesteckt. Erst jetzt fiel mir auf, wie sehr sie in den letzten Monaten gealtert war.
Sie reichte ihm nicht die Hand, sondern nickte nur zur BegrüÃung. »Mr. MacLagan.« Keine Spur mehr vom Nennen des Vornamens, stattdessen wählte sie eine steife Höflichkeit.
Er musterte sie kurz und sah dann wieder scheinbar unbeteiligt aus dem Fenster. »Wie geht es dir?«, fragte er schlieÃlich.
»Diese Frage meinen Sie wohl nicht ernst«, entgegnete Ava. »Mein Mann ist tot, unsere Einkommensquelle verschüttet, und Sie erzählen im ganzen Land Lügen, die meinen guten Ruf beschmutzen. Wie soll es mir da gehen?«
Er nickte nur. »Du vergisst noch zu erwähnen, dass niemand deine Wertgegenstände kaufen will und du deswegen bereits auf deine Dienstbotin verzichten musst. Es wird nicht mehr lange dauern, und du bietest deinen Ehering für den Preis einer Suppe, um den Hunger deines Sohnes zu stillen.«
»Ich
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