Der tanzende Tod
aussehen.«
Als wir uns das erste Mal getroffen hatten, hatte seine schroffe Art mich eingeschüchtert, denn ich hatte sie der Tatsache zugeschrieben, dass er sich meiner vergangenen Intimität mit seiner Frau bewusst war. Dies entsprach zwar der Wahrheit, aber ich war nun in der Lage zu verstehen, dass er mit allen Leuten so umging, und entschloss mich, Toleranz zu üben. Ich folgte ihm, als er mich aus der Halle führte, um wiederum die Treppe ins Erdgeschoss zu benutzen.
Indem er langsam voranschritt, begann sich eine böse Vorahnung meiner zu bemächtigen, und bald sah ich meine düsteren Erwartungen erfüllt, als er sich in Richtung des einen Raumes in diesem ganzen bedrückenden Hause wandte, welchen ich am wenigsten zu besuchen wünschte.
Im Kamin brannte ein loderndes Feuer; dies war der Hauptunterschied zwischen meinem gegenwärtigen Eindringen und dem allerersten Male, dass ich mit Clarinda hergekommen war. Damals war es recht kalt und freudlos gewesen – bis sie es zu ihrer Aufgabe machte, die Dinge für mich etwas hitziger zu gestalten. Wir hatten unserer gemeinsamen Leidenschaft auf jenem Sofa, unter dem Blick derselben Aristotelesbüste – oder vielleicht einer der Cäsaren –, welche auf dem Kaminsims stand, gefrönt. Großer Gott, was hatte Edmond bloß im Sinn, wenn er mich herbrachte?
Aber als er seinen schweren Körper mit einem hörbaren Seufzer auf das Sofa niedersinken ließ, verstand ich (nicht ohne beträchtliche Erleichterung), dass er nicht wusste, was hier vor diesen wenigen Jahren geschehen war. Er bewohnte das Zimmer gegenwärtig wohl nur aufgrund seiner Abgelegenheit und weil dies während der Beerdigung Clarindas Raum gewesen war. Einige ihrer Sachen lagen noch immer verstreut herum – kleine Dinge: ein Taschentuch, welches auf dem Boden lag, ein Kamm, der auf einem Tisch vergessen worden war, ein Paar Pantoffeln, die scheu unter einem Stuhl hervorsahen. Von ihren anderen Habseligkeiten war nichts mehr zu entdecken; vielleicht waren sie bereits eingepackt und zu ihrem Hause zurückgebracht worden.
»Setz dich«, befahl er, indem er auf einen der Stühle deutete. Ich folgte seiner Anweisung.
In seiner Nähe standen eine Flasche Brandy und ein paar Gläser. Ohne mich nach meiner Zustimmung zu fragen, schenkte er für uns beide ein und nickte mir zu, damit ich eines der beiden Gläser nähme. Ich gehorchte ohne Zögern, denn sollte es notwendig werden, konnte ich seine Erinnerung an meinen Mangel an Durst später verändern.
Er hielt sich nicht mit einem Trinkspruch auf, sondern nahm einen Zug, mit welchem er Olivers Ruf beim Trinken von Spirituosen Konkurrenz machte. Als das Glas leer war, füllte er es erneut und leerte es ebenso schnell wie beim ersten Male; dann genehmigte er sich ein drittes Glas. Ich dachte, er würde damit ebenso verfahren wie mit den ersten beiden, aber er begnügte sich mit der Hälfte des Inhaltes, bevor er das Glas zur Seite stellte.
»Etwas beunruhigt dich?«, fragte ich vorsichtig mit einer Handbewegung in Richtung des Brandys.
Er knurrte. »Das Leben beunruhigt mich, Barrett. Ich bin restlos bedient.«
»Wenn du von mir eine Entschuldigung hören möchtest, würde ich mit Freuden –«
Er winkte ab und schüttelte den Kopf. »Dazu besteht kein Anlass; was geschehen ist, ist geschehen. Ich habe heute ein rechtes Gespräch mit Clarinda geführt und bekam die Wahrheit über die Liaison mit dir aus ihr heraus. Zumindest glaube ich, dass es die Wahrheit ist. Schließlich und endlich besteht kein Grund mehr, dass sie mich anlügt.«
»Wenn du die Wahrheit hören möchtest, dann, bei meiner Ehre, hast du jedes Recht, sie zu fordern.«
»Dies wird nicht notwendig sein. Du brauchst dem Ehemann nicht zu erzählen, wie sehr du die Gunst seiner Ehefrau genossen hast.«
Ich zuckte zusammen, erholte mich wieder und sprach durch meine zusammengebissenen Zähne. »Aber ich wusste nicht, dass sie die Ehefrau von jemandem war.«
Er blickte mich lange und hart an, ohne einen Muskel zu bewegen. Sehr langsam und allmählich entspannte sich sein Gesicht, und seine Falten glätteten sich. »Dies macht für dich einen Unterschied?«
»Ja, das tut es.«
»Bei Gott, dann bist du wahrscheinlich der einzige Mann in England, der dies behaupten kann.«
»Wie Clarinda habe ich keinen Grund, dich anzulügen, und ich würde dies auch nicht tun, wenn ich einen hätte.« Ich gab ihm einen Augenblick Zeit, darüber nachzudenken, und meinte dann: »Du wolltest mit mir
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