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Der tanzende Tod

Der tanzende Tod

Titel: Der tanzende Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pat N. Elrod
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erlebte.
    Stimmen und Schreie und Aufruhr irgendwo über ihm blieben unbeachtet. In der Verwirrung würden der Mann, der geschossen hatte, und seine Kumpane leicht entkommen können.
    Aber er machte sich keine Gedanken über sie.
    Es war unmöglich für ihn, sich Gedanken über irgendetwas zu machen. Er war einfach nicht dazu in der Lage.
    Sein gesamtes inneres Bewusstsein war brutal zu einer Nichtigkeit zusammengepresst worden, und das, was einst Jonathan Barrett gewesen war, war durch eine Sphäre glühenden Leidens ersetzt worden. Er existierte nicht mehr, lediglich sein Schmerz. Vielleicht konnte er in etwa hundert Jahren, wenn der Schmerz verschwunden war, daran denken, zurückzukehren, aber nicht früher.
    Sein Körper trieb mit dem Gesicht nach unten im Wasser und stieß immer wieder gegen den Rand des Wasserbeckens, die Arme und Beine baumelten herab und waren in dem blutigen Wasser nutzlos. Leute strömten in den Raum und verursachten noch mehr Lärm. Irgendwo weinte eine erschrockene Frau, und eine andere versuchte sie zu beruhigen. Ein großer Mann ergriff einen von Barretts Armen und drehte ihn um, dann zog er seinen bewegungslosen Körper aus dem Becken. Andere bückten sich, um ihm zu helfen, oder traten aus dem Weg. Wasser strömte aus Barretts Nase und seinem geöffneten Mund. Seine offenen Augen blickten starr wie die gemalten Augen einer Puppe.
    Er konnte sich nicht bewegen, nur da liegen bleiben, wo sie ihn hingelegt hatten. Die demütigende Hilflosigkeit hätte bei ihm eigentlich große Pein bewirken müssen, aber da war nichts, kein Gedanke, keine Handlung, die aus seinem Inneren stammten – denn beides lag jenseits seiner Fähigkeiten –, keine Bitte, keine Gebete, keine Tränen der Qual von außen konnten die Mauer aus Schmerz durchbrechen, die sich zwischen ihm und dem Rest der Welt aufgebaut hatte.
    Der große Mann legte ein Ohr auf Barretts bewegungslose Brust und erklärte ihn dann für tot. Es wurden Bemerkungen über das Blut im Becken und das eigentümliche Fehlen jeder Art von Wunde an seinem Körper gemacht. Andere Menschen gesellten sich zu der Menschenmenge hinzu, um das, was geschehen war, mit eigenen Augen zu sehen und sich danach zu erkundigen. Sie befragten die beiden Mädchen, welche mit Barrett zusammen gewesen waren, aber erfuhren nichts Hilfreiches, da beide fest geschlafen hatten. Und dann endeten alle Gespräche, als unerwartet ein Zittern durch Barretts Körper ging. Er hustete kräftig, wodurch ein wenig Wasser, das sich in seinem Halse angesammelt hatte, zum Vorschein kam. Dies rief einen neuen Aufruhr hervor, als sie trotz berechtigter Zweifel zu dem Schluss kamen, dass er doch noch am Leben sei.
    Die Mauer aus Schmerz schrumpfte ein wenig, aber Mr. Barrett war ein zu kluger Mann, um die Angelegenheit zu überstürzen. Er wartete ab, ohne dass er es eilig hätte, zu versuchen, die hektischen Fragen zu beantworten, mit denen er von diesen absurden Fremden bombardiert wurde. Sie steckten nicht in seinem Körper; sie hatten nicht die geringste Ahnung, was dieser durchlebte, und sie würden, verdammt noch einmal, gut in der Lage sein zu warten, bis das Martyrium vorüber war.
    Dann stand sein Vetter Oliver neben ihm, und die Sorge um die Angst dieses Mannes veranlasste Barrett, eine Reaktion zu versuchen. Die Mauer aus Schmerz zwischen ihnen war dünner; vielleicht reichte dies aus, um es ihm zu gestatten, durch sie hindurch zu sprechen und gehört zu werden.
    »'s geht mir g...«, murmelte er. Es war eine Lüge.
    Dies hielt die Angelegenheit ein wenig auf, hielt sie beschäftigt. Decken wurden über seine nackte Gestalt geworfen, ein Kissen wurde ihm unter den Kopf geschoben. Die Erschütterung, welche mit der letzteren Tätigkeit verbunden war, sorgte beinahe dafür, dass er noch tiefer in den Schmerz gedrängt wurde, doch in ihm existierte ein vages, aber zwingendes Bedürfnis, dort zu bleiben, wo er sich befand. Warum genau dies der Fall war, entzog sich im Augenblick seiner Kenntnis.
    »Gott, er ist kalt wie eine Leiche«, bemerkte Oliver drängend zu niemandem im Besonderen.
    »Dies wird helfen«, sagte eine Frau.
    »Nein, lassen Sie –«
    Doch die Tat war bereits vollbracht. Jemand – wahrscheinlich die Frau – goss scheinbar eine Gallone Brandy in den Mund von Mr. Barrett.
    »Ich habe es ja gesagt«, meinte sie mit mehr als nur ein wenig Selbstgefälligkeit in ihrem Tonfall, als Mr. Barretts im Übrigen betäubter und schlaffer Körper zuckte und sich in einem

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