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Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Titel: Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Vonnegut
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voller Fruchtmark auf einer Brombeere«, sagte Dr. Hitz. »Ohne
Bevölkerungskontrolle würden sich auf der Oberfläche dieses alten Planeten die Menschen drängen wie die Drupellen auf der Brombeere! Denken Sie mal drüber nach!«
    Wehling starrte weiter auf den Fleck an der Wand.
    »Im Jahre 2000«, sagte Dr. Hitz, »bevor Naturwissenschaftler einschritten und anfingen, uns Vorschriften zu machen, gab es nicht einmal genug Trinkwasser, und zu essen gab es
nur noch Seetang –, und trotzdem bestanden die Menschen auf ihrem Recht, sich fortzupflanzen wie die Karnickel. Und auf ihrem Recht, wenn irgend möglich, ewig zu leben.«
    »Ich will diese Kinder«, sagte Wehling. »Ich will sie alle drei.«
    »Natürlich wollen Sie das«, sagte Dr. Hitz. »Das ist nur menschlich.«
    »Ich will aber auch nicht, daß mein Großvater stirbt«, sagte Wehling.
    »Niemand ist wirklich froh darüber, wenn er einen nahen Verwandten ins Katzenklo schaffen muß«, sagte Dr. Hitz voll Mitgefühl.
    »Es wäre mir lieber, wenn es nicht so genannt würde«, sagte Leora Duncan.
    »Was? Wie?« sagte Dr. Hitz.
    »Es wäre mir lieber, wenn es nicht Katzenklo und sonst noch wie genannt würde«, sagte sie. »Das vermittelt einen falschen Eindruck.«
    »Sie haben absolut recht«, sagte Dr. Hitz. »Verzeihen Sie mir.« Er berichtigte sich und versah die Städtischen Gaskammern mit ihrem offiziellen Titel, einem Titel,
den niemand je in mündlicher Rede verwendete. »Ich hätte sagen sollen: ›Ethische Freitod-Studios‹«, sagte er.
    »Das hört sich so viel besser an«, sagte Leora Duncan.
    »Ihr Kind –, egal, welches Sie zu behalten beschließen werden, Mr. Wehling«, sagte Dr. Hitz, »wird auf einem glücklichen, geräumigen, sauberen,
reichen Planeten leben, und das wird es der Bevölkerungskontrolle zu verdanken haben. In einem Garten wie dem auf diesem Wandgemälde.« Er schüttelte den Kopf. »Vor zwei
Jahrhunderten, als ich ein junger Mann war, war der Planet eine Hölle, dem niemand weitere zwanzig Jahre gegeben hätte. Jetzt liegen Jahrhunderte des Friedens und des Überflusses so
weit vor uns, wie die Phantasie nur schweifen mag.«
    Sein Lächeln war ein Leuchten.
    Das Lächeln erlosch, als er sah, daß Wehling gerade einen Revolver gezogen hatte.
    Wehling erschoß Dr. Hitz. »Da hätten wir schon mal Platz für eine Person –, eine richtig große«, sagte er.
    Und dann erschoß er Leora Duncan. »Ist doch nur der Tod«, sagte er ihr, als sie umfiel. »Da! Platz für zwei.«
    Und dann erschoß er sich selbst und machte Platz für alle seine drei Kinder.
    Niemand kam angerannt. Niemand, schien es, hatte die Schüsse gehört.
    Der Maler saß oben auf seiner Trittleiter und sah nachdenklich auf die traurige Szene hinab. Er grübelte über das jammervolle Rätsel des Lebens, welches Geborenwerden
erforderte, und, sobald man geboren worden war, fruchtbar zu sein ... und sich zu mehren und so lange wie möglich zu leben ..., und das alles auf einem sehr kleinen Planeten, der
ewig halten mußte.
    Alle Antworten, die dem Maler einfielen, waren grimmig. Bestimmt noch grimmiger als ein Katzenklo, ein Sparverein, eine Abschiedsmaschine. Er dachte an Kriege. Er dachte an Seuchen. Er dachte an
Hungersnöte.
    Er wußte, daß er nie wieder malen würde. Er ließ seinen Pinsel auf das Abdeckpapier fallen. Und dann entschied er, daß auch er vom Glücklichen Garten des Lebens
genug hatte, und langsam stieg er von der Leiter herunter.
    Er nahm Wehlings Pistole und hatte ernsthaft vor, sich zu erschießen. Aber er hatte nicht den Nerv dazu.
    Und dann sah er die Telefonzelle in einer Ecke des Warteraums. Er ging hin und wählte die Nummer, die man sich so gut merken konnte: 2BR02B.
    »Bundesanstalt für Abbruch«, sagte die warme Stimme einer Hostess.
    »Wie bald könnte ich einen Termin kriegen?« fragte er und wählte seine Worte mit Sorgfalt.
    »Wir könnten Sie wahrscheinlich am späten Nachmittag dazwischenschieben«, sagte sie. »Es könnte sogar noch früher was zu machen sein, wenn jemand
absagt.«
    »In Ordnung«, sagte der Maler, »schieben Sie mich dazwischen, wenn’s recht ist.« Und er buchstabierte ihr seinen Namen.
    »Vielen Dank, Sir«, sagte die Hostess. »Ihre Stadt dankt Ihnen, Ihr Land dankt Ihnen, Ihr Planet dankt Ihnen. Aber der tiefste Dank von allen gilt Ihnen von zukünftigen
Generationen.«

ANONYME LIEBHABER
    H erb White führt für mehrere Firmen in unserer Stadt die Bücher, und er macht praktisch für

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