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Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Titel: Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Vonnegut
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hättest du Fieber.«
    »Ich habe lediglich einen langen, genauen Blick auf mein Leben geworfen«, sagte er. »Also, willst du jetzt das Geschäft machen oder nicht?«
    »Das Sturmfenstergeschäft basiert auf gesundem Menschenverstand, und dabei soll es, wenn es nach mir geht, auch bleiben«, erwiderte ich. »An deinem ollen Anbau ist seit
mindestens fünfzig Jahren nichts gemacht worden. Die Schindeln sind locker, die Fensterbretter sind hin, und der Wind pfeift durch die Lücken im Fundament. Du könntest genausogut
einen zerbröselten Weizenmehlkeks mit Sturmfenstern versehen lassen.«
    »Ich lasse ihn renovieren«, sagte er.
    »Erwartet Sheila ein Baby?«
    Seine Augen verengten sich. »Das will ich wirklich nicht hoffen«, sagte er, »ihretwegen, meinetwegen und wegen des Kindes.«
    An dem Tag aß ich im Drugstore zu Mittag. Etwa die Hälfte der Anonymen Liebhaber aß im Drugstore zu Mittag. Als ich mich setzte, sagte Selma Deal, die Frau hinterm Tresen:
»Na, du großer Liebhaber, jetzt seid ihr beschlußfähig. Worüber werdet ihr abstimmen?«
    Hay Boyden, der Umzieher und Abreißer, wandte sich an mich: »Neugeschäft in Sicht, Herr Präsident?«
    »Mir wäre es lieb, wenn ihr mich nicht mehr ›Herr Präsident‹ nennen wolltet«, sagte ich. »Meine Ehe war nie hundertprozentig ideal, und es würde
mich nicht überraschen, wenn das das Haar in der Suppe wäre.«
    »Wo wir gerade von idealen Ehen sprechen«, sagte Will Battola, der Klempner, »du hast Herb White nicht zufällig noch ein paar weitere Fenster verkauft, oder?«
    »Woher hast du das gewußt?«
    »Ich hab’s erraten«, sagte er. »Wir haben unsere Notizen verglichen und glauben herausgefunden zu haben, daß Herb es geschafft hat, jedem AL-Mitglied einen kleinen
Renovierungsauftrag zuzuschanzen.«
    »Fügung«, sagte ich.
    »Das würde ich auch sagen«, sagte Will, »wenn ich irgend jemanden finden könnte, der nicht Mitglied ist und trotzdem einen Anteil an den Arbeiten abgekriegt
hat.«
    Intern schätzten wir, daß Herb etwa sechstausend Dollar in den Anbau stecken würde. Das war viel Geld, was ein Mann in seiner Lage da zusammenkratzte.
    »Der Job müßte nicht mehr als dreitausend kosten, wenn Herb nicht Küche und Badezimmer für das Ding wollte«, sagte Will. »Küche und Badezimmer hat er
schon, nur drei Meter von der Tür zwischen Anbau und Haus.«
    Al Tedler, der Tischler, sagte: »Nach den Plänen, die Herb mir heute morgen gegeben hat, wird es zwischen Anbau und Haus bald keine Tür mehr geben. Statt dessen eine Doppelwand
mit halbzölliger Steinplatte und dick Glaswolle.«
    »Warum Doppelwand?« fragte ich.
    »Herb will es schalldicht.«
    »Wie soll dann jemand aus dem Haus in den Anbau kommen?« sagte ich.
    »Der Jemand muß das Haus verlassen, etwa zwanzig Meter Rasen überqueren und den Anbau durch die Haustür des Anbaus betreten.«
    »In einer kalten Winternacht eher ein Ausflug, der zum Frösteln einlädt«, sagte ich. »Nicht viele Jemande würden ihn barfuß unternehmen wollen.«
    Und an dieser Stelle kam Sheila Hinckley herein.
    Man hört oft, wie jemand sagt, Frau Sowieso habe sich sehr gut gehalten. In neun von zehn Fällen stellt Frau Sowieso sich als mageres Reff mit rosa Lippenstift heraus, das aussieht,
als wäre es in Lanolin gekocht worden. Aber Sheila hat sich wirklich gut gehalten. An jenem Tag im Drugstore wäre sie als Zweiundzwanzigjährige durchgegangen.
    »Manno«, sagte Al Tedler, »wenn ich so was in der Küche hätte, würde ich keine zwei Küchen brauchen.«
    Wenn Sheila normalerweise irgendwo reinkam, wo AL-Mitglieder saßen, veranstalteten wir irgendeinen Lärm, um sie auf uns aufmerksam zu machen, und sie machte dann irgendwas
Törichtes, wackelte mit den Augenbrauen oder zwinkerte uns zu. Hatte überhaupt nichts zu bedeuten.
    Aber an jenem Tag im Drugstore versuchten wir nicht, einen Blick von ihr zu erhaschen, und sie versuchte nicht, unsere Blicke auf sich zu ziehen. Sie war ganz geschäftsmäßig. Sie
trug ein großes rotes Buch, etwa von der Größe eines Schlackebausteins. Sie gab es bei der dem Drugstore angeschlossenen Leihbücherei zurück, zahlte und ging.
    »Frage mich, worum es in dem Buch geht«, sagte Hay.
    »Es ist rot«, sagte ich. »Wahrscheinlich um die Hersteller von Feuerwehrautos.«
    Das war ein Scherz mit einem langen Werdegang. Er ging bis ganz zur Bildunterschrift unter ihrem Foto im Highschool-Jahrbuch zurück, als sie ihren Schulabschluß hatte. Jeder oder jede
sollte

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