Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)
haben, bei Sheila widerrechtlich einzudringen.
Was ich sehen wollte, war der Zustand des Schiebefensters von innen. Ich setzte mich auf den Morris-Sessel und machte mir ein paar Notizen.
Und dann lehnte ich mich zurück und zündete mir eine Zigarette an. Ein Morris-Sessel ist ein gemütliches Möbel. Sheila kam herein, ohne daß ich sie hörte.
»Behaglich, was?« sagte sie. »Ich finde, jeder Mann in deinem Alter sollte so einen Zufluchtsort haben. Herb hat Sturmfenster für sein Shangri-la bestellt,
stimmt’s?«
»Fleetwoods«, sagte ich.
»Gut«, sagte sie. »Fleetwoods sind, weiß der Himmel, die besten.« Sie betrachtete die Unterseite des morschen Dachs. Durch nadelstichgroße Löcher sah man
den Himmel. »Ich nehme nicht an, daß das, was Herb und mir passiert, ein Geheimnis ist«, sagte sie.
Ich wußte nicht, wie ich das beantworten sollte.
»Du könntest den Anonymen Liebhabern und ihren weiblichen Hilfstruppen ausrichten, daß Herb und ich noch nie so glücklich waren wie jetzt«, sagte sie.
Auch darauf fiel mir keine Antwort ein. Ich hatte Herbs Umzug in den Anbau als große Tragödie der Jetztzeit empfunden.
»Außerdem könntest du ihnen ausrichten«, sagte sie, »daß Herb zuerst glücklich wurde. Wir hatten einen lächerlichen Streit darüber, wie mein
Gehirn zu Matsch geworden ist. Und dann ging ich nach oben und wartete, daß er ins Bett kam –, und er kam nicht. Am nächsten Morgen entdeckte ich, daß er sich eine
Matratze hinausgeschleppt hatte und wie ein Engelchen schlief. Ich sah auf ihn hinunter, so glücklich da draußen, und weinte. Mir wurde klar, daß er sein Leben lang ein Sklave
gewesen war, Sachen gemacht hatte, die er haßte, um erst seine Mutter und dann mich und die Mädchen zu ernähren. Seine erste Nacht da draußen war wahrscheinlich die erste
Nacht seines Lebens, in der er eingeschlafen ist, ohne sich zu fragen, wer er sein könnte, was er hätte werden können, was er vielleicht immer noch werden könnte.«
»Ich glaube, der Grund dafür, daß die Welt so oft so auf den Kopf gestellt wirkt«, sagte ich, »ist der, daß jeder meint, er macht das, was er macht, wegen
jemand anderem. Herb denkt sich, mit der ganzen Anbausache tut er dir einen Gefallen.«
»Alles, was ihn glücklicher macht, geschieht mir zum Gefallen«, sagte sie.
»Ich habe dies wahnsinnige rote Buch gelesen –, das heißt, ich lese es gerade«, sagte ich.
»Das Hausfrauendasein ist ein Schwindel, wenn eine Frau mehr kann«, sagte sie.
»Und du wirst mehr tun, Sheila?«
»Ja«, sagte sie. Sie hatte sich einen Plan zurechtgelegt, nach dem sie mit einer Kombination aus Fernkursen, weiterführenden Kursen und ein paar Sommerlehrgängen in Durham,
wo die Staatsuniversität ist, in zwei Jahren ihre akademische Reife erlangen konnte. Danach wollte sie Lehrerin werden.
»So einen Plan hätte ich nie gemacht«, sagte sie mir, »wenn Herb meinen Bluff nicht so deutlich als Bluff bezeichnet hätte. Frauen neigen manchmal schrecklich zum
Bluffen. Ich habe angefangen zu studieren«, fuhr sie fort. »Ich weiß, daß du zum Fenster reingekuckt und mich mit all meinen Büchern gesehen hast, als ich auf der Couch
lag und weinte.«
»Ich hätte nicht gedacht, daß du mich gesehen hast«, sagte ich. »Ich habe nicht versucht herumzuschnüffeln. Kennard Pelk und ich müssen hin und wieder im
Rahmen unserer Berufsausübung in Fenster kucken.«
»Ich habe geweint, weil ich verstand, wie sehr ich in der Schule geblufft habe«, sagte sie. »Damals, in der törichten alten Zeit, habe ich nur so getan, als wären mir
die Dinge, die ich gelernt habe, wichtig. Jetzt sind sie mir wichtig. Deshalb habe ich geweint. Ich weine in letzter Zeit viel, aber das ist ein gutes Weinen. Da
geht es um Entdeckung, da geht es um erwachsene Freude.«
Ich mußte zugeben, daß es eine interessante Korrektur war, die Sheila und Herb da vornahmen. Eins machte mir jedoch Sorgen, und es gab keine zivilisierte Art, danach zu fragen. Ich
fragte mich, ob sie für immer aufhören würden, miteinander zu schlafen.
Sheila beantwortete meine Frage, ohne daß ich sie zu stellen brauchte.
»Liebe kennt nicht Schloß noch Riegel«, sagte sie.
Etwa eine Woche später nahm ich das Exemplar von Frauen, das vergeudete Geschlecht oder: Der Schwindel mit der Hausfrau zu einer warmen Mahlzeit plus
Konferenz der AL mit in den Drugstore. Ich hatte das Ding durch und gab es weiter.
»Du hast das doch wohl nicht deine Frau lesen lassen?«
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