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Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Titel: Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Vonnegut
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reiten, geschniegelt wie sonstwas, und wenn uns irgendein oller Leibeigener rotzig kommt, parieren wir das Pferd und ...«
    »Ivy!« schrie Elmer. »Wir sind Leibeigene.«
    Ivy stieß mit dem Fuß auf und wiegte den Kopf nach links und rechts. »Hat Robert-der-Schreckliche uns nicht gerade die Möglichkeit gegeben, uns zu verbessern?«
    »Damit wir so schlimm werden wie er ?« sagte Elmer. »Das soll eine Verbesserung sein?«
    Ivy setzte sich an den Tisch und legte die Füße auf die Tischplatte. »Wenn jemand ohne eigene Schuld in die herrschende Klasse gerät«, sagte sie, »muß er
herrschen, oder die Leute verlieren jeden Respekt vor der Regierung.« Sie kratzte sich zierlich. »Die Leute müssen regiert werden.«
    »Zu ihrem Kummer«, sagte Elmer.
    »Die Leute müssen beschützt werden«, sagte Ivy, »und Rüstungen und Burgen kommen nicht gerade billig.«
    Elmer rieb sich die Augen. »Ivy, kannst du mir sagen, wovor wir beschützt werden, was so viel schlimmer ist als das, was wir haben?« sagte er. »Ich würde es mir gern
ansehen und dann entscheiden, was mir am meisten angst macht.«
    Ivy hörte ihm nicht zu. Sie erbebte, weil sich Hufgetrappel näherte. Robert-der-Schreckliche ritt mit seinem Gefolge auf dem Rückweg zum Schloß an der Hütte vorbei, und
die Hütte zitterte vor Macht und vor Herrlichkeit.
    Ivy rannte zur Tür und riß sie auf.
    Elmer und Ethelbert senkten den Kopf.
    Von den Normannen waren Rufe freudiger Überraschung zu hören.
    »Hien!«
    »Regardez!«
    »Donnez la chasse, mes braves!«
    Die Pferde der Normannen bäumten sich auf, fuhren herum und galoppierten in den Wald.
    »Was ist denn Erfreuliches passiert?« sagte Elmer. »Haben sie was zerquetscht?«
    »Sie haben einen Hirsch gesehen!« sagte Ivy. »Sie setzen ihm nach, und Robert-der-Schreckliche immer voran.« Sie legte die Hand aufs Herz. »Ist er nicht wirklich
sportlich?«
    »Zutiefst«, sagte Elmer. »Möge Gott seinen rechten Arm stark machen.« Er sah zu Ethelbert, suchte ein sardonisches Lächeln als Antwort.
    Ethelberts dünnes Gesicht war weiß. Seine Augen quollen hervor. »Die Falle ... Sie reiten dahin, wo die Falle ist!« sagte er.
    »Wenn sie die Falle auch nur mit dem Finger anrühren«, sagte Elmer, »werde ich ...« Die Sehnen an seinem Hals spannten sich, und seine Hände wurden zu
Klauen. Natürlich würde Robert-der-Schreckliche die liebevolle Arbeit des Jungen in Stücke hacken, wenn er sie sah. »Pour le sport, pour le
sport«, sagte er bitter.
    Elmer versuchte tagzuträumen, wie er Robert-den-Schrecklichen ermordete, aber der Traum war so frustrierend wie das Leben –, eine Suche nach Schwächen, wo es keine
Schwächen gab. Der Traum endete wahrheitsgetreu, mit Robert und seinen Männern auf Pferden, so groß wie Kathedralen, mit Robert und seinen Männern in eisernen Hülsen,
hinter den Stäben ihrer Visiere lachend, wie sie mit Muße aus ihren Sammlungen von Spießen, Ketten, Hämmern und Fleischeräxten auswählten, die Methoden
auswählten, nach denen mit einem zornigen Holzschnitzer in Lumpen zu verfahren war.
    Elmers Hände wurden schlaff. »Wenn sie die Falle kaputtmachen«, sagte er schlapp, »bauen wir eine neue, besser als je zuvor.«
    Aus Scham für seine Schwäche wurde Elmer übel. Die Übelkeit verschlimmerte sich. Er legte den Kopf auf die verschränkten Arme. Als er den Kopf wieder hob, hob er ihn, um
mit einem Totenkopfgrinsen um sich zu blicken. Er war am Ende seiner Kraft.
    »Vater! Geht es dir gut?« sagte Ethelbert aufgeschreckt. Elmer stand unsicher auf. »Prima«, sagte er, »ganz prima.« »Du siehst so anders aus«,
sagte Ethelbert.
    »Ich bin anders«, sagte Elmer. »Ich habe keine Angst mehr.« Er packte die Tischplatte und rief: »Ich habe keine Angst!«
    »Sei still!« sagte Ivy. »Sie werden dich hören!«
    »Ich werde nicht still sein!« sagte Elmer leidenschaftlich.
    »Sei lieber doch still«, sagte Ivy. »Du weißt, was Robert-der-Schreckliche mit Leuten macht, die nicht still sein wollen.«
    »Ja«, sagte Elmer, »er nagelt ihnen den Hut am Kopf fest. Aber wenn das der Preis ist, den ich zahlen muß, werde ich ihn zahlen.« Er rollte die Augen. »Als
ich daran dachte, wie Robert-der-Schreckliche die Falle des Jungen kaputtmacht, kam die gesamte Geschichte des Lebens über mich wie ein Blitz, der mich
blendete!«
    »Vater, hör zu ...«, sagte Ethelbert, »ich habe keine Angst, daß er die Falle kaputtmacht. Ich habe Angst, daß er ...«
    »Ein Blitz, der

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