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Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Titel: Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Vonnegut
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sagte etwas und gestikulierte
in Richtung Scheune. Paul stand im Schatten des Hauses, so daß sie ihn nicht sehen konnten, und er lief mit dem Kaninchen weg, als sie ins Haus gingen.
    Er brachte seinen Beitrag dorthin, wo die anderen ein Feuer gemacht hatten, auf einen kleinen Hügel, von dem Paul die Scheune sehen konnte, die er durch eine Lücke in einem Windschutz
aus Pappeln verlassen hatte. Das Kaninchen wurde mit der übrigen Beute auf ein über den Boden gebreitetes Tuch gelegt.
    Während die anderen mit den Essensvorbereitungen beschäftigt waren, beobachtete er die Scheune, denn der kleine Junge war aus seinem Haus gekommen und ging so schnell zur Scheune, wie
seine Krücken ihn tragen wollten. Er verschwand quälend lange in der Scheune. Paul hörte seinen schwachen Schrei und sah ihn zur Tür kommen. Er trug das weiche weiße Fell
bei sich. Er strich es gegen die Wange und sank dann auf die Türschwelle, um sein Gesicht im Pelz zu vergraben und sich das Herz aus dem Leibe zu schluchzen.
    Paul wandte sich ab und sah nicht wieder hin. Die beiden anderen sahen das Kind nicht, und Paul erwähnte es nicht. Als die drei sich zum Abendessen niederließen, sprach einer der
Jungs das Tischgebet: »Lieber Herr Jesus, sei unser Gast, und segne, was Du uns ...«
    Auf dem Weg zu den amerikanischen Linien, lässig von einem Dorf zum anderen schweifend, sammelten Pauls Gefährten einen ansehnlichen Schatz aus deutschen Wertgegenständen an. Aus
irgendeinem Grunde war alles, was Paul nach Hause brachte, ein einzelner rostiger und böse verbogener Luftwaffensäbel.

» VERTRAUT MIR .«

NUR DU UND ICH, SAMMY
    I.
    I n dieser Geschichte geht es um Soldaten, aber es ist nicht direkt eine Kriegsgeschichte. Der Krieg war vorbei, als es
alles passierte, deshalb nehme ich an, daß es eine Mordgeschichte ist. Keine Kriminalgeschichte, nur eine über Mord.
    Ich heiße Sam Kleinhans. Das ist ein deutscher Name, und ich muß leider sagen, daß mein Vater vor dem Krieg eine Zeitlang mit dem German-American
Bund zu tun hatte. Als er herausfand, worum es dabei ging, trat er ganz schnell aus. Aber viele Leute in unserer Nachbarschaft fanden den Bund ungeheuer
toll. Ein paar Familien in unserer Straße, erinnere ich mich, fanden das, was Hitler im Vaterland machte, so aufregend, daß sie alles verkauften, was sie hatten, und zurück nach
Deutschland gingen, um dort zu leben.
    Einige ihrer Kinder waren etwa in meinem Alter, und als die USA in den Krieg eintraten und ich als Schütze nach Übersee ging, fragte ich mich, ob ich irgendwann auf alte Spielkameraden
schießen würde. Ich glaube nicht, daß ich das getan habe. Später fand ich heraus, daß die meisten Bund -Jungs, die die deutsche
Staatsbürgerschaft angenommen hatten, als Schützen an der russischen Front endeten. Ein paar verrichteten kleinere Spionagearbeiten, versuchten, sich unter die amerikanischen Truppen zu
mischen, ohne aufzufallen, aber nicht viele. Die Deutschen trauten ihnen sowieso nicht über den Weg; zumindest schrieb das einer unserer früheren Nachbarn meinem Vater in einem Brief, in
dem er ihn um ein CARE-Paket bat. Derselbe Mann sagte, er würde alles tun, um in die Staaten zurückzukommen, und ich stelle mir vor, daß es allen so geht.
    Daß ich diesen Burschen und dem ganzen Bund -Quatsch so nahe war, machte mich ziemlich befangen, was meine deutschen Vorfahren betraf, als ich
schließlich in den Krieg zog. Ich muß vielen wie ein ausgemachter Blödmann vorgekommen sein, wie ich mich so über Loyalität, den Kampf für die gute Sache und
dergleichen ausließ. Nicht daß die anderen Jungs in der Army nicht an diese Dinge geglaubt hätten –, es war nur nicht modern, darüber zu sprechen. Nicht im Zweiten
Weltkrieg.
    Wenn ich jetzt darüber nachdenke, weiß ich, daß ich verkitscht war. Ich erinnere mich zum Beispiel noch daran, was ich am Morgen des 8.Mai sagte,
am Tag, an dem der Krieg mit Deutschland zu Ende ging. »Ist es nicht geradezu großartig?« habe ich gesagt.
    »Ist was nicht geradezu großartig?« sagte der Gefreite George Fisher und hob eine Augenbraue, als hätte er etwas ganz schön
Tiefsinniges gesagt. Er kratzte sich den Rücken an einem Strang Stacheldraht und dachte, glaube ich, an etwas anderes. Essen und Zigaretten wahrscheinlich, und vielleicht sogar an Frauen.
    Es war nicht mehr sehr klug, beim Gespräch mit George gesehen zu werden. Er hatte im Lager keine Freunde mehr, und jeder, der versuchte, sein Kumpel zu

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