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Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Titel: Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Vonnegut
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sagte George, mir immer noch den Rücken zuwendend. Er hielt eine kleine Flasche hoch. »Haben ihre Herztropfen vergessen. Meine
alte Dame hatte dies Zeug auch im Hause, wegen ihrem Herzen.« Er legte sie in die Schublade zurück. »Auf deutsch dasselbe wie auf englisch. Das ist das Komische an Strychnin,
Sammy –, in kleinen Dosen kann es Leben retten.« Er ließ ein Paar Ohrringe in seine sich bereits wölbende Tasche fallen. »Die werden ein kleines Mädchen sehr
glücklich machen«, sagte er.
    »Besonders, wenn es Ramschware schätzt.«
    »Freu dich doch mal, Sammy! Willst du deinem Kumpel den Spaß verderben? Geh in die Küche und hol dir was zu essen, Mensch. Gleich bin ich bei dir.«
    Was nun das Siegersein und Beuteeinstreichen betraf, machte ich mich auf meine Weise gar nicht schlecht –; drei Scheiben Schwarzbrot und einen Keil Käse, die hinten im Haus auf
dem Küchentisch auf mich warteten. Ich suchte in einer Küchenschrankschublade nach einem Messer, mit dem ich den Käse schneiden konnte, und bekam eine kleine Überraschung. Ein
Messer gab es, aber auch eine Pistole, nicht viel größer als meine Faust, und daneben einen vollen Ladestreifen. Ich spielte damit herum, fand heraus, wie sie funktionierte, und schob
den Ladestreifen ein, um zu sehen, ob er wirklich zu der Waffe gehörte. Sie war ein hübsches Stück, ein schönes Souvenir. Ich zuckte die Achseln und wollte sie wieder
zurücklegen. Es wäre glatter Selbstmord gewesen, von den Russen mit einer Pistole erwischt zu werden.
    »Sammy! Wo zum Teufel bist du?« rief George.
    Ich ließ die Pistole in meine Hosentasche gleiten. »Hier in der Küche, George. Was hast du gefunden, die Kronjuwelen?«
    »Was viel Besseres, Sammy.« Sein Gesicht war strahlend rosa, und er atmete schwer, als er in die Küche kam. Er sah dicker aus, als er in Wirklichkeit war, so vollgestopft war
seine Feldjacke mit dem Plunder, den er in den anderen Räumen gefunden hatte. Er knallte eine Flasche Weinbrand auf den Tisch. »Na, wie sieht das aus, Sammy? Jetzt können wir uns
eine kleine Siegesfeier gönnen, was? Nun erzähle bloß zu Hause in Jersey nicht überall herum, der alte Georgie hätte dir nie was gegönnt.« Er haute mir auf den
Rücken. »Sie war voll, als ich sie fand, und jetzt ist sie schon halb hinüber, Sammy –, also halte dich ran, wenn du mit der Party Schritt halten willst.«
    »Ich bleibe lieber, wie ich bin, George. Vielen Dank, aber das würde mich wahrscheinlich umbringen, in meinem gegenwärtigen Zustand.«
    Er setzte sich auf den Stuhl mir gegenüber, ein großes, loses Grinsen auf dem Gesicht. »Iß deine Stulle auf, dann bist du gerüstet. Der Krieg ist vorbei, Junge! Ist
das was zum Anstoßen, oder ist das was zum Anstoßen?«
    »Vielleicht später.«
    Selbst trank er nichts mehr. Still saß er eine Zeitlang da, dachte angestrengt über etwas nach, und ich mampfte schweigend vor mich hin.
    »Was ist denn mit deinem Appetit?« fragte ich schließlich.
    »Nichts. Gut wie immer. Ich habe heute morgen gegessen.«
    »Danke, daß du mir was davon angeboten hast. Was war es denn, ein Abschiedsgeschenk von unseren Bewachern?«
    Er lächelte, als hätte ich ihm gerade Tribut für die aalglatten Geschäfte gezollt, die er abgewickelt hatte. »Was ist denn los, Sammy –, kannst du mich nicht
leiden oder was?«
    »Habe ich was gesagt?«
    »Du brauchst nichts zu sagen, Kleiner. Du bist wie alle anderen.« Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und breitete die Arme aus. »Ich höre, einige von den Jungs
wollen mich als Kollaborateur anschwärzen, wenn wir zurück in die Staaten kommen. Hast du das auch vor, Sammy?« Er war vollkommen ruhig, gähnte sogar. Er sprach sofort weiter,
ohne mich antworten zu lassen. »Der arme, alte Georgie hat keinen einzigen Freund auf der ganzen Welt, oder? Jetzt steht er ganz alleine da, stimmt’s? Ich nehme an, ihr Jungs werdet
alle direkt nach Hause geflogen, aber die Army, stelle ich mir vor, wird mit Georgie Fisher noch eine kleine Unterredung haben wollen, was?«
    »Du bist besoffen, George. Vergiß es. Niemand wird dich ...«
    Er stand auf, fand mit der Hand Halt auf dem Tisch. »Nein, Sammy, ich habe das genau überlegt. Kollaboration –, das ist Verrat, oder? Dafür können sie einen
hängen, stimmt’s?«
    »Nun mal langsam, George. Niemand wird dich aufhängen wollen.« Ich stand langsam auf.
    »Ich sagte, ich habe es genau überlegt, Sammy. Georgie Fisher ist niemand, der man sein

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