Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)
möchte, was also meinst du, werde ich machen?« Er fummelte an seinem Kragen, zog
seine Hundemarke heraus, zog sie sich über den Kopf und warf sie auf den Fußboden. »Ich werde jemand anderes sein, Sammy. Ich würde sagen, das ist richtig schlau, meinst du
nicht?«
Inzwischen summte das Geschirr in den Küchenschränken vom Lärm der Panzer. Ich ging zur Tür. »Ist mir doch so wurscht, was du machst, George. Ich werde dich nicht
anschwärzen. Ich will nur heil nach Hause, und eben jetzt gehe ich zurück ins Lager.«
George trat zwischen mich und die Tür und legte mir die Hand auf die Schulter. Er zwinkerte und grinste. »Augenblick, Kleiner. Du hast noch nicht alles gehört. Willst du nicht
erfahren, was dein Kumpel George als nächstes machen wird? Es wird dich brennend interessieren.«
»Wiedersehen, George.«
Er machte nicht Platz. »Setz dich lieber hin und trink was, Sammy. Beruhige deine Nerven. Du und ich, Kleiner, von uns geht keiner zurück ins Lager. Die Jungs da wissen, wie Georgie
Fisher aussieht, und das würde doch alles verderben, oder? Ich glaube, es wäre klug, ein paar Tage zu warten und mich dann in Prag zu melden, wo niemand mich kennt.«
»Ich habe gesagt, ich werde nichts sagen, George, und ich werde nichts sagen.«
»Ich habe gesagt, setz dich, Sammy. Trink was.«
Ich war benommen und matt, und von dem schweren Schwarzbrot in meinem Magen wurde mir übel. Ich setzte mich.
»Schon viel besser, Kumpel«, sagte er. »Es wird nicht lange dauern, wenn du die Sache auch so siehst wie ich, Sammy. Ich habe gesagt, ich werde nicht mehr Georgie Fisher sein
und jemand anderes werden.«
»Gut, prima, George.«
»Dafür brauche ich allerdings einen neuen Namen und eine passende Hundemarke. Deine gefällt mir. Wieviel nimmst du dafür?« Er hörte auf zu lächeln. Er machte
keine Witze –, er schlug mir ein Geschäft vor. Er beugte sich über den Tisch, und, das fette, rosa, verschwitzte Gesicht nur einen Dezimeter von meinem entfernt, flüsterte
er: »Was meinst du, Sammy? Zweihundert Dollar in bar und diese Uhr für die Hundemarke. Dafür kriegst du schon fast einen neuen LaSalle, stimmt’s? Sieh dir die Uhr an,
Sammy –, in New York tausend Dollar wert –, läutet zur vollen Stunde, zeigt das Datum an ...«
Komisch, George hatte vergessen, daß LaSalle pleitegegangen war. Er zog eine Rolle Banknoten aus der Gesäßtasche. Die Deutschen hatten uns bei unserer Gefangennahme alles Geld
abgenommen, aber einige der Jungs hatten versteckte Scheine im Futter ihrer Klamotten. George war es mit seinem Zigarettenmonopol gelungen, so ziemlich jeden Cent an sich zu bringen, der den
Deutschen entgangen war. Angebot und Nachfrage –, fünf Dollar pro Zichte.
Aber die Uhr war eine Überraschung. George hatte sie bisher geheimgehalten –, aus sehr guten Gründen. Die Uhr hatte Jerry Sullivan gehört, dem Jungen, der beim
Ausbruchsversuch erschossen worden war.
»Wo hast du Jerrys Uhr her, George?«
George zuckte die Achseln. »Eine Schönheit, was? Hab’ Jerry hundert Zigaretten dafür gegeben. Danach war ich blank.«
»Wann, George?«
Er schenkte mir nicht mehr sein breites, vertrauliches Grinsen. Er war gemein und mürrisch. »Was meinst du mit wann ? Kurz bevor sie ihn abgeknallt
haben, wenn du’s wissen willst.« Er fuhr sich mit den Händen durchs Haar. »Okay, los, sag schon, es ist meine Schuld, daß er tot ist. Das denkst du doch, also sag es
auch.«
»Das habe ich nicht gedacht, George. Ich habe nur gedacht, was für ein Glück du hattest, daß du diesen Handel abgeschlossen hast. Jerry hat mir gesagt, die Uhr gehört
seinem Großvater und er würde sie für nichts auf der Welt verkaufen. Das ist alles. Ich war nur irgendwie überrascht, daß er sich auf den Tausch eingelassen hat«,
sagte ich leise.
»Was soll’s?« sagte er ärgerlich. »Wie kann ich beweisen, daß ich nichts damit zu tun hatte? Ihr Jungs habt mir das angehängt, weil es mir gutging und
euch nicht. Ich habe Jerry korrekt bezahlt, und ich bringe jeden um, der was anderes sagt. Und jetzt werde ich dich korrekt bezahlen, Sammy. Willst du die Kohle und die Uhr oder nicht?«
Ich dachte zurück an die Nacht des Ausbruchs, daran, was Jerry kurz bevor er in den Tunnel kroch, gesagt hatte. »Mann, wenn ich jetzt eine Zigarette hätte«, hatte er
gesagt.
Der Lärm von den Panzern war jetzt fast ein Gebrüll. Sie mußten schon am Lager vorbei sein und sich die letzte steile Meile nach Peterswald
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