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Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Titel: Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Vonnegut
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unbehaglicher Stille, die von Zeit zu Zeit durch das Herumstöbern des Majors im Hinterzimmer unterbrochen wurde. Ich sah mir den Hauptmann gut an und war überrascht,
wieviel jungenhafter als der Major er doch wirkte, obwohl es durchaus möglich war, daß sie gleichaltrig waren. Man konnte sich ihn nur schwer auf einem Schlachtfeld vorstellen, und man
konnte sich den Major nur schwer woanders vorstellen.
    Ich hörte, wie Major Evans einen leisen Pfiff ausstieß, und ich wußte, daß er den Schreibtisch des Kommandanten gefunden hatte.
    »Der Major muß ein sehr tapferer Mann gewesen sein. Er hat so viele Orden und Ehrenzeichen«, sagte Marta schließlich.
    Hauptmann Donnini schien dankbar für eine Gelegenheit, seinen Vorgesetzten zu erläutern. »Er war und ist ein äußerst tapferer Mann«, sagte er mit Wärme. Er
sagte, daß der Major und die meisten gemeinen Soldaten in Beda von einer offenbar berühmten Panzerdivision gekommen seien, welche, deutete der Hauptmann an, nie mutlos und nie müde
war und nichts so sehr genieße wie einen schönen Kampf.
    Ich schnalzte voller Staunen mit der Zunge, wie ich das immer tue, wenn ich von so einer Division höre. Ich habe von amerikanischen Offizieren, deutschen Offizieren und russischen
Offizieren von solchen Divisionen gehört, und meine Offiziere im Ersten Weltkrieg erklärten feierlich, daß ich zu so einer Division gehörte. Wenn ich von einem gemeinen
Soldaten von einer Division höre, die aus Kriegsfreunden besteht, glaube ich es vielleicht, vorausgesetzt, der Mann ist nüchtern und wurde schon mal angeschossen. Falls es solche
Divisionen gibt, sollten sie vielleicht zwischen den Kriegen in Trockeneis konserviert werden.
    »Und was ist mit Ihnen?« sagte Marta, indem sie in Major Evans’ Mord-und-Totschlag-Biographie hineinplatzte.
    Er lächelte. »Ich bin so neu in Europa, daß ich hier – wenn Sie den Ausdruck bitte entschuldigen – meinen Podex noch nicht wiederfinden würde. Die
Luft von Fort Benning, Georgia, ist immer noch in meinen Lungen. Der Major –, er ist der Held, kämpft nun schon ohne Pause seit drei Jahren.«
    »Und ich hätte nicht gedacht, daß ich hier als Mischung aus Schutzmann, Landrat und Klagemauer ende«, sagte Major Evans, der in der Tür zum Hinterzimmer stand.
»Opa, ich möchte diesen Schreibtisch. Haben ihn für sich gebaut, was?«
    »Was hätte ich mit so einem Schreibtisch angefangen? Ich habe ihn für den russischen Kommandanten getischlert.«
    »Einer Ihrer Freunde, wie?«
    Ich versuchte zu lächeln, nicht überzeugend, stelle ich mir vor. »Ich wäre jetzt nicht hier, um mit Ihnen zu reden, wenn ich mich geweigert hätte. Und ich wäre
nicht hier gewesen, um mit ihm zu reden, wenn ich kein Bett für den Nazikommandanten gemacht hätte –, mit einer Girlande aus Hakenkreuzen und der ersten Strophe des
Horst-Wessel-Liedes am Kopfende.«
    Der Hauptmann lächelte mit mir, der Major nicht. »Der hier ist anders«, sagte der Major. »Der kommt gleich an und sagt, daß er Kollaborateur war.«
    »Das habe ich nicht gesagt«, sagte ich gleichmütig.
    »Machen Sie’s nicht kaputt, machen Sie’s nicht kaputt«, sagte Major Evans. »Das ist eine erfrischende Abwechslung.«
    Marta mußte plötzlich eilig in den ersten Stock. »Ich war kein Kollaborateur«, sagte ich.
    »Klar, klar –, Sie haben sie bis aufs Blut bekämpft, wo Sie gingen und standen. Jede Wette. Ich weiß, ich weiß. Kommen Sie mal kurz her? Ich möchte mit
Ihnen über meinen Schreibtisch reden.«
    Er setzte sich auf den unfertigen Schreibtisch, ein enormes und, für mich, grauenhaftes Stück Möbel. Ich hatte ihn als private Satire auf den schlechten Geschmack des russischen
Kommandanten und seine Heuchelei, was Symbole des Wohlstands betraf, entworfen. Ich hatte ihn so prunkvoll und protzig wie möglich gebaut, als den Traum eines russischen Bauern vom
Schreibtisch eines Wall-Street-Bankiers. Er funkelte, weil ich farbige Glasstücke wie Juwelen in das Holz eingelassen hatte, und er hatte Glanzlichter, weil ich ihn teilweise mit
Heizkörperfarbe angestrichen hatte, die ein bißchen aussah wie Vergoldung. Jetzt schien es, als müßte die Satire privat bleiben, denn der amerikanische Kommandant war von dem
Tisch so angetan, wie der russische es gewesen war.
    »So was nenne ich ein Möbelstück«, sagte Major Evans.
    »Sehr hübsch«, sagte Hauptmann Donnini abwesend. Er sah die Treppe hinauf, wo Marta hingeflohen war.
    »Hat nur einen Fehler,

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