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Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Titel: Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Vonnegut
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spürte Earl, wie sein Selbstvertrauen zurückkehrte, und er begann Charleys Rückkehr in sein Leben als großzügigen Akt des
Schicksals zu sehen, eine schöne Gelegenheit, endgültig alte Rechnungen zu begleichen. »Es war nicht die Arbeit, die die Zeiten schwer machte«, sagte Earl spitz.
    Charley schien Earls Vehemenz zu überraschen. »In Ordnung, dann war die Arbeit eben nicht schwer. Das ist jetzt so lange her, daß ich mich jetzt sowohl so als auch so daran
erinnern kann.«
    »Ich meine ja auch nur, daß es nicht leicht war, wenn die Leute auf einen herabsahen, weil man nicht mit einem silbernen Löffel im Mund geboren worden war«, sagte
Earl.
    »Earl!« sagte Charley und lächelte ungläubig. »Wir hatten zwar reichlich Blödiane in der Verbindung, aber keiner hat auch nur eine Minute lang auf dich
herabge-«
    »Fettig für die Fottos«, sagte Slotkin. »Fangen wir mit dem Grill an –, Brot, Salat und ein großes, blutiges Stück Fleisch.«
    Das Dienstmädchen brachte eine Riesenscheibe Fleisch aus der Tiefkühltruhe an, und Earl hielt sie über den Grill. »Beeilen Sie sich«, sagte er. »Ich kann nicht
den ganzen Tag eine Kuh am ausgestreckten Arm halten.« Hinter seinem Lächeln wurmte ihn jedoch, wie Charley seine College-Kümmernisse abgetan hatte.
    »So bleiben!« sagte Slotkin. Die Blitzlichter blitzten. »Gut!«
    Und die Gesellschaft zog ins Innere des Hauses. Dort posierten Earl und Maude in Zimmer um Zimmer, begossen eine Pflanze im Solarium, lasen das neueste Buch vor dem Kamin im Wohnzimmer, machten
Fenster per Knopfdruck auf und zu, schwatzten über der Wäschetruhe mit dem Dienstmädchen, planten Speisenfolgen, nahmen einen Drink an der Bar im Spielzimmer, zersägten eine
Planke in der Hobbywerkstatt, staubten Earls Pistolensammlung im Herrenzimmer ab.
    Und immer war Charley Freeman am Schluß der Entourage, ließ sich nichts entgehen, amüsierte sich offensichtlich, während Maude und Earl das zum Paket geschnürte
Wohlleben demonstrierten. Unter Charleys Blick wurde Earl bei seiner Vorführung immer unruhiger und gehemmter, und Slotkin machte ihm Vorhaltungen, weil er so ein gefälschtes Lächeln
zur Schau trug.
    »Mensch, Maude«, sagte Earl, der im großen Schlafzimmer transpirierte, »wenn ich jemals – dreimal auf Holz klopfen – wieder ins Berufsleben
zurückmuß, kann ich beim Fernsehen als Verwandlungskünstler anfangen. Wehe, das ist nicht das letzte Foto. Ich fühle mich wie ein gottverdammter
Wäscheständer.«
    Aber das Gefühl bewahrte ihn nicht davor, sich auf Slotkins Befehl ein weiteres Mal zu verkleiden, diesmal mit einem Smoking. Slotkin wollte ein Foto vom Dîner bei Kerzenschein. Die
Eßzimmervorhänge sollten zugezogen werden, elektrisch, um die Tatsache zu verbergen, daß draußen hellichter Nachmittag war.
    »Na, ich glaube, Charley kriegt ordentlich was zu sehen«, sagte Earl, der gerade einen Kragenknopf an die dafür vorgesehene Stelle drückte, mit verzerrtem Gesicht.
»Ich glaube, er ist ganz schön beeindruckt.« Seine Stimme klang nicht recht überzeugt, und er wandte sich zwecks Bestätigung an Maude.
    Sie saß an ihrem Frisiertisch, starrte gnadenlos ihr Abbild im Spiegel an und probierte verschiedenes Geschmeide an sich aus. »Hmm?«
    »Ich habe gesagt, Charley ist ganz schön beeindruckt.«
    »Ach, der «, sagte sie klipp und klar. »Er ist ein bißchen zu glatt, wenn du mich fragst. Erst behandelt er
dich hochnäsig, und dann kommt er her und strahlt und hat gute Manieren und alles.«
    »Ja«, sagte Earl seufzend. »Verdammt, ich kam mir bei ihm immer klein und häßlich vor, und das gelingt ihm immer noch. Er sieht uns an, als wären wir Angeber,
dabei versuchen wir nur, einer Illustrierten behilflich zu sein. Und hast du gehört, was er gesagt hat, als ich ihm einfach so gesagt habe, was mir am College nicht paßte?«
    »Er hat getan, als hättest du dir das gerade ausgedacht, als wäre das alles reine Einbildung. Ein ganz gewiefter Kunde, aber mich bringt er nicht zur Weißglut, mich
nicht«, sagte Maude. »Das fing heute als der schönste Tag unseres Lebens an, und so soll es bleiben. Und willst du noch was wissen?«
    »Was denn?« Von Maude unterstützt, spürte Earl, wie seine Kampfmoral sich besserte. Er war sich nicht absolut sicher gewesen, daß Charley sich innerlich über ihn
lustig machte, aber Maude war es, und Maude war sogar sauer deshalb.
    Sie senkte die Stimme zu einem Flüstern. »Er tut wie sonstwas und macht sich

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