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Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)

Titel: Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Vonnegut
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du hattest ebenfalls einen ziemlich weiten Weg, stimmt’s, Earl?« sagte Charley und drehte die Handflächen nach oben, um das Wunder des Traumhauses darzustellen.
»Ich sehe, du hast viel Science Fiction in deinen Regalen. Earl, dies Haus ist Science Fiction.«
    »Wahrscheinlich«, sagte Earl. Die Schmeichelei fing an, baute sich zu etwas auf –, zu einem großen Anpumpen vermutlich. Earl war entschlossen, sich nicht vom
aalglatten Charley in seinen Bann ziehen zu lassen. »Ja, geht so. Nicht übermäßig gut, nicht übermäßig schlecht –, etwa den Platzverhältnissen
angemessen, wenn der Golfplatz Amerika ist. Und man keine Angst vor harter Arbeit hat.«
    »Was für ein Golfplatz –, und was für ein Abschneiden, was?«
    Earl sah seinen Gast genau an und versuchte zu ergründen, ob Charley wieder seine Leistungen schmälerte. »Wenn das ausgesehen hat, als hätte ich ein bißchen geprotzt,
als die Leute von der dummen Illustrierten hier waren«, sagte er, »glaube ich, daß ich vielleicht ein bißchen was zum Protzen habe. Dies Haus ist viel mehr als ein Haus. Es
ist meine Lebensgeschichte, Charley –, meine eigene persönliche Pyramide, irgendwie.«
    Charley hob sein Glas zum Trinkspruch. »Möge es so lange stehen wie die Große Pyramide in Giseh.«
    »Danke«, sagte Earl. Es war höchste Zeit, entschied er, Charley in die Defensive zu drängen. »Und du bist Arzt, Charley?«
    »Ja. Hab 1916 meinen Doktor gemacht.«
    »Soso. Wo hast du deine Praxis?«
    »Bißchen alt, um wieder mit Praktizieren anzufangen, Earl. In den letzten Jahren hat sich auf medizinischem Gebiet in Amerika so viel geändert, daß ich, fürchte ich,
ziemlich den Anschluß verloren habe.«
    »Verstehe.« Earl ging im Geiste eine Liste von Dingen durch, die einen Arzt in Konflikt mit dem Gesetz bringen mochten. Sehr beiläufig fragte er: »Wie bist du
plötzlich auf die Idee gekommen, mich zu besuchen?«
    »Mein Schiff hat hier angelegt, und ich erinnerte mich, daß du hier wohnst«, sagte Charley. »Weil ich keinerlei Familie mehr habe und versuche, an der Westküste ganz
von vorn anzufangen, habe ich gedacht, ich besuche ein paar von meinen alten Studienkollegen. Und weil das Schiff hier gelandet ist, warst du der erste.«
    Das sollte also Charleys Geschichte sein, dachte Earl –, daß er lange außer Landes gewesen war. Als nächstes kam dann das Anpumpen. »Mir selbst ist die
College-Bande eher egal«, sagte er, unfähig, sich einen kleinen Seitenhieb zu verkneifen. »So ein Haufen Snobs, daß ich froh war, sie los zu sein und zu vergessen.«
    »Gott helfe ihnen, wenn sie den lachhaften gesellschaftlichen Maßstäben der College-Zeit nicht entwachsen sind«, sagte Charley.
    Earl erschrak über die Schärfe in Charleys Stimme, und da er sie nicht verstand, wechselte er hastig das Thema. »In Übersee gewesen, was? Wo genau, Charley?«
    »Earl!« rief Maude planmäßig aus dem Eßzimmer. »Das Allerschlimmste ist passiert.«
    »Ja?«
    Maude erschien in der Tür. »Angela ...«, sie wandte sich erklärend an Charley, »... meine Schwester. Earl, Angela hat gerade angerufen, sie kommt mit Arthur und
den Kindern vor dem Abendessen, und ob sie bei uns übernachten können.«
    »Mensch«, sagte Earl, »ich weiß nicht, wie wir sie unterbringen sollen. Die sind zu fünft, und wir haben nur zwei Gästezimmer, und Charley ...«
    »Nein, nein«, sagte Charley. »Sagt ihnen, sie sollen kommen. Ich hatte sowieso vorgehabt, im Hotel zu übernachten, und ich muß auch noch ein paar Besorgungen
erledigen. Deshalb könnte ich gar nicht hierbleiben.«
    »Gut, wenn du meinst«, sagte Earl.
    »Wenn er weg muß, muß er weg«, sagte Maude.
    »Ja, nun, hab’ viel zu tun. Tut mir leid.« Charley war auf dem Weg zur Tür, hatte sein Glas halbvoll stehengelassen. »Danke. Es war schön, euch zu sehen. Ich
beneide euch um euer Paket.«
    »Bleib sauber«, sagte Earl, und er schloß die Tür mit einem Erschaudern und einem Seufzer.
    Während Earl noch auf dem Flur war und sich darüber wunderte, was in vierzig Jahren aus einem Mann werden konnte, klangen die Türglocken, tief und süß. Earl
öffnete vorsichtig die Tür, und da stand Lou Converse, von der Baufirma. Auf der anderen Straßenseite stieg Charley Freeman in ein Taxi.
    Lou winkte Charley zu und wandte sich dann an Earl. »Hallo! Nein, ich lade mich nicht zum Abendessen ein. Bin zurückgekommen, um meinen Hut zu holen. Habe ihn, glaube ich, im Solarium
vergessen.«
    »Kommen

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