Der taubenblaue Drache / eBook (German Edition)
Investitionsberatungsfirma. Ich beginne, mir einen eigenen Kundenstamm aufzubauen und
mich auf dem besten Wege zu sehen, den guten Rat, den ich verkaufe, auch selbst – in bescheidenem Maße – zu befolgen. Meine Uniform – grauer Anzug, Homburg
und marineblauer Mantel – ist bezahlt, und nachdem ich mir noch ein halbes Dutzend weiße Hemden angeschafft habe, werde ich ein paar Aktien kaufen.
Wir in der Investitionsberatungsbranche haben eine Standardfrage, die so geht: »Mr. X, Sir, bevor wir unsere Analysen machen und Empfehlungen geben können, wüßten wir gern
genau, was Sie von Ihrem Aktienpaket erwarten: Einkommen oder Wachstum?« Ein Aktienpaket ist ein Notgroschen in Form von Vermögensanleihen und festverzinslichen Wertpapieren. Die Frage
zielt darauf ab, ob der Kunde seinen Notgroschen dorthin tun will, wo er wachsen wird, ohne zunächst viel Dividende abzuwerfen, oder möchte der Kunde, daß der Notgroschen in etwa so
groß bleibt, wie er ist, aber schöne Dividende abwirft?
Die übliche Antwort lautet, daß der Kunde seinen Notgroschen wachsen und jede Menge Dividende abwerfen lassen will. Er will schnell reicher werden.
Aber ich habe viele ungewöhnliche Antworten gehört, besonders von Kunden, die Geld wegen irgendeiner geistigen Blockade in abstrakter Form nicht ernst nehmen können. Wenn man sie
fragt, was sie von ihrem Aktienpaket erwarten, nennen sie wahrscheinlich etwas, wofür sie liebend gern ihr Geld verpulvern wollen –, ein Auto, eine Reise, ein Boot, ein Haus.
Als ich einem Kunden namens Otto Krummbein die Frage stellte, sagte er, er wolle zwei Frauen glücklich machen: Kitty und Falloleen.
Otto Krummbein ist ein Genie, der Designer des Krummbein-Stuhls, des Krummbein-Dimodularbetts, der Karosserie des Marittima-Frascati-Sportwagens und der gesamten Linie von
Mercury-Küchenaccessoires.
Er ist so sehr mit Schönheit befaßt, daß seine geistige Entwicklung in Gelddingen mit der einer Blaumeise zu vergleichen ist. Als ich ihm das erste Aktienpapier zeigte, das ich
für sein Paket gekauft hatte, wollte er es gleich wieder verkaufen, weil ihn die Aufmachung abstieß.
»Ist es nicht völlig egal, wie das Papier aussieht, Otto?« sagte ich perplex. »Der Witz ist doch, daß die Firma dahinter gut geführt ist, wächst und
große Reserven an Barmitteln hat.«
»Eine Firma«, sagte Otto, »die sich als Symbol eine solche Monstrosität erwählt und oben auf ihrem Aktienpapier anbringt, diese fette Medusa im Herrensitz auf einem
Stück Abflußrohr und in Kabel gewickelt, ist ganz gewiß unsensibel, vulgär und dumm.«
Als Otto mein Kunde wurde, war er nicht in der Verfassung, ein Aktienpaket zu erwerben. Ich bekam ihn durch Hal Murphy, einen meiner Freunde.
»Vor zwei Tagen habe ich ihn zum erstenmal gesehen«, sagte Hal. »Er kam hier hereingewandert und sagte beiläufig nebulös, er glaube, er könne ein wenig Hilfe
gebrauchen.« Hal lachte in sich hinein. »Alle sagen, dieser Krummbein ist ein Genie, ich aber sage, er gehört ins Männerwohnheim oder ins Witzfigurenkabinett. Er hat in den
letzten sieben Jahren mehr als zweihundertfünfunddreißigtausend Dollar verdient und ...«
»Dann ist er ein Genie«, sagte ich.
»... und jeden einzelnen Cent für Partys, Nachtklubs, sein Haus und Klamotten für seine Frau verpulvert«, sagte Hal.
»Hurra«, sagte ich. »Das ist genau die Investitionsberatung, die ich immer schon mal machen wollte, es hat nur niemand was dafür gezahlt.«
»Nun, Krummbein ist total zufrieden mit seinen Investitionen«, sagte Hal. »Was ihn auf die Idee brachte, er könnte vielleicht ein bißchen Hilfe gebrauchen, war ein
Besuch vom Finanzamt.«
»Oha«, sagte ich. »Ich wette, er hat vergessen, eine Einkommensschätzung für nächstes Jahr zu erstellen.«
»Die Wette verlierst du«, sagte Hal. »Dies Genie hat keinen Cent Einkommenssteuer gezahlt –, und zwar noch nie! Er sagte, er hätte immer damit gerechnet,
daß die ihm eine Rechnung schicken, hätten sie aber nie getan.« Hal ächzte. »Tja, Bruder, endlich sind sie doch noch dazu gekommen. Und was für eine
Rechnung!«
»Was kann ich tun?« fragte ich.
»Er kriegt ständig haufenweise Geld – und besteht darauf, in Barschecks bezahlt zu werden«, sagte Hal. »Du kümmerst dich um ihn, während ich versuche,
ihn aus dem Knast rauszuhalten. Ich habe ihm alles über dich erzählt, und er sagt, du sollst sofort zu ihm kommen.«
»Mit welcher Bank arbeitet er?« sagte
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