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Der tausendfältige Gedanke

Der tausendfältige Gedanke

Titel: Der tausendfältige Gedanke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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blitzte grell und leuchtete dann in dunklem Perlmutt nach. Einer von ihnen, Rimon, stürzte zu Boden, wo er zu Salz zerfiel.
    Die anderen rannten über den Himmel.
    Bestürzte Rufe lenkten Eleäzaras’ Aufmerksamkeit auf die Wolken hinter ihnen. Er sah Flammenstöße von den Höhen des Juterums über die zerstörte Stadt rollen, blickte sich um und entdeckte Angst und Verblüffung in den Mienen seiner Brüder, ohne aber selbst Furcht zu verspüren. Stattdessen liefen ihm heiße Tränen über die Wangen. Große, ungreifbare Gewichte fielen so rasch von ihm ab, dass er dachte, er werde in den Himmel fahren wie eine unter Wasser freigelassene Luftblase.
    Es geschah… Es geschah!
    Er sah zur vergoldeten Kuppel des Ctesarat – des Gotteshauses der Cishaurim – hoch, die in der Hitze flimmerte. Dann blickte er nach links und rechts auf die brennenden Bauten, die den Kampfplatz umgaben, den sie erschaffen hatten. Die Cishaurim – dieser Abschaum – umgaben ihn und rückten ständig näher.
    »Sie kommen!«, rief er lachend. »Endlich kommen sie!«
    Die Ordensmänner der Scharlachspitzen standen auf den Trümmern ringsum und wirkten im Vergleich zu den von ihnen entfachten Feuern geradezu winzig. Nun jubelten sie laut. Endlich war ihr Hochmeister geistig wieder bei ihnen.
    Dann zuckten grelle weißblaue Fäden durch die Flammenwände ringsum.
     
     
    »Seökti und die Übrigen respektieren dich«, fuhr Kellhus fort. »Mehr noch – dein Ruf reicht, wie der von Mallahet, weit über Kian hinaus. Insgeheim aber denken alle, der Einzige Gott habe dich verflucht. Warum sonst würde das Wasser dich meiden?
    Und ohne deine Augen ist deine Fähigkeit, den Gang der Dinge zu erkennen, stark eingeschränkt. Die Schlangen ermöglichen nur eine schemenhafte Wahrnehmung. Jahrelang hast du vergebens dagegen gekämpft, und obwohl dein Verstand deine Mitbrüder in Erstaunen versetzt und dir Zugang zu ihren erlauchtesten Beratungen verschafft hat, haben sie einander doch – kaum dass sie nicht mehr im Bann deiner Gegenwart standen – immer wieder zugeflüstert: ›Er ist schwach.‹ Vor etwa zwölf Jahren hast du dann die ersten Hautkundschafter der Rathgeber entdeckt – wohl aufgrund von Unterschieden in den Stimmen. Dies hat die Cishaurim zweifellos in Aufruhr versetzt. Und obwohl niemand das Geringste über diese Kreaturen wusste, haben sie den Scharlachspitzen die Schuld gegeben. Denn nur der größte Orden würde, wie sie annahmen, den ungeheuren Frevel wagen, die Cishaurim zu unterwandern.
    Aber du bist ein Dunyain, und obwohl die übrigen Dunyain von Hexenkunst keine Ahnung haben, ist unser Verständnis weltlicher Dinge unerreicht. Du hast erkannt, dass diese Wesen keine durch Hexerei erschaffenen Artefakte waren, sondern Maschinen aus Fleisch und Blut. Doch du hast die anderen nicht überzeugen können, die den Scharlachspitzen wegen des gefährlichen Wegs, den sie angeblich eingeschlagen hatten, eine Lehre erteilen wollten und Konsequenzen forderten. Also töteten die Cishaurim den Hochmeister der Scharlachspitzen und lösten dadurch einen Krieg aus, der an diesem Tag seinen Abschluss findet…«
    In diesem Moment stieß Kellhus unabsichtlich an etwas, das auf dem mit Inschriften versehenen Fußboden lag. Es war etwas Hohles, Faseriges. Ein Schädel?
    »Aber du«, fuhr er ohne Zögern fort, »hast diese Wesen behalten und sie nach jahrelanger Folter endlich gebrochen. So hast du von Golgotterath erfahren, dessen Schutzwälle ein uraltes Wrack umgeben, ein Schiff, das in den Tagen, da noch die Nichtmenschen Eärwa regierten, aus der Leere gefallen war. Du hast von den Inchoroi und dem großen Krieg erfahren, den sie gegen längst verstorbene Könige der Nichtmenschen führten, davon, wie die letzten Überlebenden der schrecklichen Inchoroi – Aurang und Aurax – das Herz des Nichtmenschen Mekeritrig verdarben, der sie gefangen genommen hatte, und wie Mekeritrig wiederum Shauriatis verdarb, den Hochmeister der Mangaecca. Du hast erfahren, wie diese ruchlose Clique den Bann, der über Golgotterath gelegen hatte, brach und sich aller Schrecken dieses Ortes bemächtigte…
    Du hast von den Rathgebern erfahren.«
    »Begriffe wie ›ruchlos‹ oder ›verdorben‹«, sagte Moënghus aus dem Dunkel, »warum verwendest du sie überhaupt, wo du doch weißt, dass sie nur moralische Keulen sind?«
    »Natürlich hattest du von den Rathgebern gehört«, fuhr Kellhus fort, ohne auf die Frage seines Vaters einzugehen. »Und wie die

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