Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der tausendfältige Gedanke

Der tausendfältige Gedanke

Titel: Der tausendfältige Gedanke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
Vom Netzwerk:
diszipliniert vorzugehen. »Hat Sompas Euch von Darastius erzählt?«
    »Darastius und ich hatten in Momemn den gleichen Empfänger. So erfuhr ich, dass er beim Übermitteln der Nachrichten verstummt war. Eine Zeit lang fürchtete ich das Schlimmste, gottgleicher Kaiser. Es erleichtert mich unendlich, dass Ihr und Eure Pläne unversehrt seid.«
    Rufer und Empfänger waren die Enden der Kommunikation unter Hexenmeistern. Der Empfänger war der Anker, ein Ordensmann also, der an einem dem Rufer bekannten Ort schlief. Der Rufer nun drang in die Träume des Empfängers ein und übermittelte ihm Botschaften. Dass sehr viele Nachrichten des Kaiserreichs durch die Kaiserlichen Ordensleute übermittelt wurden, war – wie Conphas wusste – einer der vielen Gründe, warum sein Onkel ihnen gegenüber so misstrauisch gewesen war. Wer den Boten kontrollierte, kontrollierte auch die Botschaft. Apropos…
    »Ihr wisst von dem Ordensmann der Scharlachspitzen, der dem Scylvendi zugeteilt ist? Er heißt Saurnemmi. Keine Nachricht von dem, was hier passiert, darf den Heiligen Krieg erreichen.« Sein Blick unterstrich, was auf dem Spiel stand.
    Cememketri hatte mit zunehmendem Alter Schweinsaugen bekommen, sah aber immer noch gut. »Wenn Ihr ihn uns lebendig übergebt, gottgleicher Kaiser, können wir die dummen Scharlachspitzen denken lassen, in Joktha sei alles in Ordnung. Wir müssen ihn nur vor dem festgelegten Zeitpunkt der Kontaktaufnahme außer Gefecht setzen. Unsere Erzwingungsformeln erledigen den Rest. Er wird seinen Meistern erzählen, was immer Ihr wünscht. Und Darastius wird mehr als gerächt – das versichere ich Euch.«
    Conphas nickte und begriff währenddessen, dass er nun kaiserliche Gunst erteilte. Er zögerte nur einen Moment, doch das war genug.
    »Ihr wünscht zu erfahren, was geschehen ist«, sagte Cememketri. »Wie Euer Onkel zu Tode kam…« Er verbeugte sich kurz. Dann richtete er sich auf, als habe er Entschlossenheit eingeatmet. »Ich weiß nur, was mein Empfänger mir gesagt hat. Dennoch gibt es vieles, worüber wir reden müssen, gottgleicher Kaiser.«
    »Das kann ich mir vorstellen«, sagte Conphas und winkte in nachsichtiger Ungeduld ab. »Aber der Reihe nach, Hochmeister, der Reihe nach. Zuerst haben wir einen Scylvendi zu erledigen…« – er sah den Ordensmann freundlich an – »… und einen Heiligen Krieg zu vernichten.«



6. Kapitel
     
    XERASH
     
     
     
    Natürlich benutzen wir einander als Krücken.
    Warum sonst würden wir kriechen, wenn wir unsere Liebsten verlieren?
     
    Ontillas: Von der menschlichen Torheit
     
     
    Geschichte, Logik, Arithmetik – all das sollten Sklaven lehren.
     
    Anonymus: Das adlige Haus
     
     
     
    XERASH, VORFRÜHLING 4112
     
    Kellhus’ Taktik und das Gelände von Enathpaneah boten Achamian kaum Gelegenheit, sich der verminderten Größe des Heiligen Kriegs bewusst zu werden. Trotz ihrer Siegesbeute auf der Ebene von Tertae befahl Kellhus, beim Vormarsch Nahrung zu plündern, und zwang den Heiligen Krieg dadurch, sich über die zerklüftete Gegend zu verteilen. Gesprächen, die Achamian mit anhörte, konnte er entnehmen, dass die Fanim ihrem Vorrücken keinen Widerstand entgegensetzten. Zwar versteckten sie ihre Töchter und was ihnen an Vieh und Getreide geblieben war, doch alle Dörfer und Städte im Osten Enathpaneahs ergaben sich kampflos.
    Mit ihren gestohlenen Kleidern und von der Sonne zerbissenen Gesichtern sahen die Männer des Stoßzahns den Fanim viel ähnlicher als den Inrithi. Nur Schilde, Banner, Waffen und Rüstungen unterschieden sie voneinander. Verschwunden waren die langen Kriegsröcke der Leute aus Conriya, die wollenen Übermäntel der Galeoth und die an der Taille gerafften Umhänge der Ainoni. Fast alle trugen die bunten Khalats ihres Feindes, ritten seine geschmeidigen Pferde, tranken seinen Wein aus seinen Schläuchen, schliefen in seinen Zelten und gingen mit seinen Töchtern ins Bett.
    Sie waren verwandelt worden – weit über ihr verändertes Äußeres hinaus. Die Männer, die Achamian durch die Pforten von Southron hatte marschieren sehen, waren nur die Vorfahren derer, die er nun sah. Wie er den Hexenmeister nicht mehr erkannte, der in die Sareotische Bibliothek gegangen war, so erkannten sie die Krieger nicht mehr, die singend in die Wüste Carathay gezogen waren: Die Männer von damals waren zu Fremden geworden und hätten auch Waffen aus Bronze schwingen können.
    Gott hatte die Männer des Stoßzahns dezimiert. In der

Weitere Kostenlose Bücher