Der tausendfältige Gedanke
vermochte, war Mord.
Wäre es nicht für Xinemus gewesen, dann hätte Achamian – wie er vermutete – gar nichts getan.
Die praktischen Probleme des Marsches nahmen Kellhus von morgens bis abends in Anspruch. Ein Gefolge adliger Inrithi, das ihn überallhin begleitete, beriet sich mit ihm, lieferte ihm Berichte über das Land, das vor ihnen lag, legte ihm Streitfragen vor, die der Lösung bedurften, und stand ihm – als der Heilige Krieg die Grenze nach Xerash überschritten hatte – mehr und mehr in Fragen der Kriegsführung zur Seite.
Achamian mischte sich immer wieder unter die verschiedenen Gruppen, die Kellhus umgaben. Manchmal schenkte er dem, was sie diskutierten, aus reiner Neugier Beachtung. Da er oft an Ort und Stelle blieb, während andere kamen und gingen, konnte er immer wieder den erstaunlichen Intellekt des Kriegerpropheten erleben. Er hörte ihn Botschaften und Mahnungen, die Tage zuvor angelangt waren, wortwörtlich wiederholen. Es gab niemanden, an dessen Namen er sich nicht erinnerte, und ihm entging kein Detail – auch wenn es sich um banale Dinge wie die Vorräte handelte. Achamian zählte nicht mehr mit, wie oft er sich ungläubig zu anderen – vor allem zu Gayamakri, Kellhus’ Seneschall – umdrehte. Sie lächelten dann stets kopfschüttelnd und hoben die Brauen in freudiger Ehrfurcht. Ihr Erstaunen bestätigte sie nur. »Womit bloß«, sagte Gayamakri einmal zu ihm, »haben wir dieses Wunder verdient?«
Von Gesprächen abgesehen, in denen es um Hohe Herren ging, verlor Achamian bald das Interesse an diesen kleinen Dramen. Seine Gedanken schweiften ähnlich ab wie damals, als er bei Vieh und Tross marschiert war. Die ankommenden Adligen nahmen ihn zwar zur Kenntnis, doch er verschwand schnell in den fließenden Hintergrund des Sakralen Gefolges.
Trotz seines Desinteresses war Achamian sich des unsinnigen Gewichts seiner Verantwortung bewusst. In Augenblicken der Langeweile überkam ihn manchmal eine seltsame innere Distanz, wenn er Kellhus beobachtete. Der überwirkliche Glanz fiel dann von ihm ab, und der Kriegerprophet wirkte so zerbrechlich wie die Kämpfer um ihn herum – und weit einsamer. Achamian erstarrte jedes Mal vor Schreck, wenn er sich bewusst machte, dass Kellhus – so göttlich er auch wirkte – in Wahrheit sterblich war. Er war ein Mensch. War das am Bronzering unterm Umiaki nicht deutlich geworden? Und falls etwas geschehen sollte, wäre nichts wichtig – nicht einmal seine Liebe zu Esmenet.
Ein seltsamer Eifer kroch dann durch seine Glieder, der nichts mit der von Alpträumen erzeugten Leidenschaft der Mandati zu tun hatte. Ein individueller Fanatismus.
Nur einer Sache ergeben zu sein, verlieh zwar Schwung, stiftete aber weder Richtung noch Ziel. Lange war es Achamians nächtliche Bestimmung gewesen, umherzuirren. Von Träumen vorangepeitscht, hatte er sein Maultier über Straßen und Wege geführt und war doch nie irgendwo angekommen. Mit Kellhus dagegen hatte sich all das verändert, und doch konnte er Nautzera nicht begreiflich machen, dass der Kriegerprophet die Verkörperung all der abstrakten Begriffe war, die der Rechtfertigung ihres Ordens dienten. In diesem einen Mann lag die Zukunft der Menschheit. Er war ihr einziges Bollwerk gegen das endgültige Ende.
Gegen den Nicht-Gott.
Mehrmals schon hatte Achamian geglaubt, ein flüchtiges auratisches Leuchten um Kellhus’ Hände bemerkt zu haben. Er ertappte sich dabei, jene zu beneiden, die – wie Proyas – behaupteten, dieses Leuchten ständig zu sehen. Und er merkte, dass er freudig für Anasûrimbor Kellhus sterben würde. Trotz seines unerwiderten Hasses würde er kein Opfer scheuen.
Zu seiner Bestürzung fiel es Achamian immer schwerer, diese Gefühle den ganzen Tag lang zu empfinden. Seine Gedanken schweiften so weit ab, dass er bisweilen fürchtete, Kellhus bei einem Angriff der Rathgeber nicht schützen zu können. Dann schüttelte er den Kopf und musterte den Horizont mit dem finsteren Blick eines Falken. Und er versuchte, jeden, der sich Kellhus mit einer Bitte näherte, prüfend anzusehen.
Wie immer lenkte Esmenet ihn am stärksten ab.
Manchmal ritt sie, denn sie hatte sich nach anfänglicher Unsicherheit rasch an Tier und Sattel gewöhnt. Obwohl er zur Spitze von Kellhus’ Sakralem Gefolge gehörte, sah Achamian sie in diesem Fall regelmäßig. Zuweilen schwieg er dann schwermütig und hörte Kellhus und seine adligen Kommandeure wie in weiter Ferne reden. Zuweilen aber war er einfach
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