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Der Tee der drei alten Damen

Der Tee der drei alten Damen

Titel: Der Tee der drei alten Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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er:
    »Willst du heut abend bei mir bleiben, Jakob? Wir fahren dann zusammen zu deinem Bruder, um halb neun, nicht wahr? Du kannst doch bei mir bleiben? Weißt du, ich bin so allein. Daheim habe ich, glaube ich, noch ein paar Eier, die können wir uns kochen oder braten, aber Brot müssen wir mitnehmen und Käse, wenn du ihn magst. Mir macht Thévenoz Sorge, Jakob, und dann weißt du, der merkwürdige Giftpfeil. Es ist bald nicht mehr geheuer in unserer guten Stadt Genf. Und mir sind die Arme gebunden.«
    »Aber Sie wollten doch vor einer großen Versammlung ein Schuldbekenntnis ablegen?« wagte Jakob zu fragen.
    »Ich muß dir eine Illusion nehmen, Jakob. Mit dem Alter wird man nicht klüger, merk dir das, manchmal wird man dümmer. Aber was ist dumm? Vielleicht war es doch klug. Aber ich möchte doch wissen, was mit Thévenoz los ist.«
    »Soll ich ihn suchen gehen, Professor?« fragte Jakob dienstbereit, obwohl er gar nicht wußte, wer dieser Thévenoz war. Da half ihm der Professor auf die Spur.
    »Ich habe selber versucht, ihn im Spital zu erreichen, aber es hieß, er sei seit vier Tagen in den Ferien. Dann habe ich einen Spaziergang zu seiner Wohnung gemacht, aber dort war alles verschlossen.«
    »Im Spital?« fragte Jakob, und eine dunkle Erinnerung stieg in ihm auf. »Arbeitet er mit meinem Bruder?«
    »Richtig«, sagte Dominicé erlöst. »Dann wird dein Bruder, Wladimir heißt er doch, dann wird dein Bruder Wladimir uns heute abend wohl Auskunft geben können.«
    Sie standen auf. Der Professor nahm wieder Jakobs Arm, stützte sich leicht darauf. So wanderten sie zusammen die Corraterie hinab durch die Rues Basses. Vor Dominicés Haus sah sich Jakob mißtrauisch um. An der Ecke stand ein Mann mit einem roten Schnurrbart unter einer stumpfen Nase, der mehr als verdächtig aussah. Als er aber nach einem kurzen Blick sich abwandte, schenkte ihm Jakob auch keine weitere Beachtung und ging mit dem Professor ins Haus.
    Der Schlüssel zur Wohnungstür wollte nicht recht fassen, endlich, nach zwei oder drei Versuchen, ging die Türe auf. Im Arbeitszimmer herrschte große Unordnung, Schubladen standen offen, Papiere lagen umher. Dominicé begann zu lachen, es war ein tiefes gurgelndes Lachen, aber es klang befreit.
    »Gefunden haben sie nichts, die Dummköpfe!« rief er fröhlich. Dann wurde er plötzlich ernst. Jakob hörte ihn murmeln: »Die Flasche, wo ist die Flasche?« Der Professor stöberte in der Küche nach, kopfschüttelnd kehrte er zurück. »Wenigstens«, sagte er, »wenigstens sind die Eier nicht zerbrochen. Komm, Jakob, wir wollen kochen gehen.« Sie teilten sich in die Arbeit, Jakob übernahm die Eier, der Professor den Tee. Dann saßen sie nebeneinander im Arbeitszimmer, Jakob strich Butterbrote, belegte sie mit Käse, der Professor kaute. Pünktlich um acht Uhr ging Jakob zum Telephon, bestellte ein Taxi, wandte sich dann an den Professor: »Ich habe noch jemanden eingeladen, für heute abend«, sagte er, »aber Sie müssen nicht erschrecken, Sie kennen die Frau.«
    »Wer ist es?« fragte der Professor.
    »Baranoffs Sekretärin.«
    »Mein Gott«, sagte der Professor. Sonst nichts. Dann folgte er folgsam seinem jungen Freunde.
    Als die beiden aus der Haustür traten, sah sich Jakob noch einmal mißtrauisch um. Der Mann mit dem Schnurrbart unter einer stumpfen Nase war verschwunden. Kommissar Pillevuit hatte Wort gehalten, aber Jakob konnte das nicht wissen.

8
    Als O'Key an diesem Abend ganz zufällig einen abgehetzten Ronny traf, mußte er zugeben, daß er ein wenig renommiert hatte mit seiner Behauptung, die Airedalesprache zu verstehen. Die Begegnung fand statt gegen viertel vor sieben Uhr auf der Straße, die von Vandœuvres über Sionnet nach Jussy führt. O'Key hatte die Universität verlassen, im Palais de Justice sein Motorrad geholt. Es blieben ihm noch mehr als zwei Stunden vor der Versammlung des »Kriegsrates« in der Villa des Mimosas, und er wollte die Zeit benützen, sich das Haus jenes George Whistler anzusehen, bei dem am Morgen eingebrochen worden war. Er sah es in der Ferne, am Ende einer langen Allee, verdunkelt von hohen Tannen, die es umgaben, und er überlegte gerade, ob er dem Maharaja einen Besuch abstatten sollte, als er durch ein lautes Gebell abgelenkt wurde.
    Quer über ein Feld, in dem der Klee ziemlich hoch stand, sprang etwas gegen die Straße zu. Es glich einem braun und schwarz gesprenkelten Fisch, der in einem grünen Meer Freudentänze aufführt. Aber dann war es

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