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Der Tee der drei alten Damen

Der Tee der drei alten Damen

Titel: Der Tee der drei alten Damen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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erzählen, bevor ich mich der einzigen Instanz unterwerfe, die befugt ist, solche Machenschaften, sobald sie zu überlegtem Morde führen, zu bestrafen. Sie werden abgehalten…«
    Kling – tönte es vom Fenster her (wie eine Silbermünze, die auf Holz fällt), Dominicé stockte, blickte nach der Richtung, aus der der Ton gekommen war. Es war etwa in der vierten Bank, von unten gezählt, der Ort war leicht festzustellen, denn dort hatten sich einige Gesichter einer verschleierten Gestalt zugewandt, die gebückt, wie in sich vergraben, dasaß.
    Jakob reckte den Hals, um zu sehen, was los war. Da bemerkte er den Mann mit den kupferdrahtartigen Haaren, der aufgesprungen war, wild mit den Armen fuchtelte und rief: »Haltet die Frau!« Aber es war schon zu spät. Ein eintöniges Gemurmel stieg auf, in das sich ein Summen mischte, das anschwoll, die hohen Fenster verdunkelten sich, es summte stärker, plötzlich war die Luft des Saales angefüllt mit Insekten aller Art, Wespen und Hummeln und Bremen. Gekreisch stieg auf, Hände fuchtelten.
    »Bleiben Sie ruhig sitzen«, sagte die tiefe Stimme Professor Dominicés. »Es ist alles Trug. Sie müssen nur fest glauben, daß alles Trug ist.« Aber ein Gelächter antwortete ihm, die eleganten Damen in der ersten Bankreihe stießen kurze, spitze Schreie aus und wehrten sich mit winzigen Taschentüchern, alles drängte zur Tür, und immer stärker schwoll es an, das Gesumm.
    Da sah Jakob, der ruhig sitzengeblieben war (bis zu ihm war der Ungezieferschwarm noch nicht gedrungen), wie der Mann mit den kupfernen Haaren plötzlich einen Sprung über ein paar Bänke nahm, einen zweiten auf das Podium und sich neben dem Professor aufstellte. Da stand auch Jakob auf, drängte sich durch die nun schon spärlichen Anwesenden, stieg auch aufs Podium und sagte, nachdem er einen Augenblick den rothaarigen Unbekannten angeblickt hatte, zu Dominicé:
    »Mein Bruder, der Advokat Rosène, läßt Sie bitten, Herr Professor, heute abend zu uns zu kommen. Er möchte Ihnen gerne helfen.« Dann schwieg Jakob und blickte über den leeren Saal. Was ihn am meisten verwunderte, war, daß er die Luft lautlos und rein fand. Kein Gesumm, keine brummenden Insekten, keine flirrenden Flügel schwirrten durch den Raum. Durch die offenen Fenster konnte der Blick ungehindert die großen dunklen Räume erblicken, die den Hof der Universität gegen die Promenade des Bastions abgrenzten. Der Professor schwieg noch immer, seine Augen waren gesenkt.
    »Und Sie, mein Freund O'Key«, sagte er plötzlich, ohne Jakob zu antworten, »haben Sie mir auch etwas zu bestellen?«
    »Ja«, sagte O'Key, »das gleiche wie dieser junge Mann. Zwei Boten für ein und dieselbe Neuigkeit. Sie sind ein wichtiger Mann, Professor, eine internationale Berühmtheit, wie wir wohl wissen, und da Sie nicht mehr für sich selbst sorgen können, sind wir wohl verpflichtet, dies für Sie zu tun. Wollen Sie die Einladung annehmen?«
    Der Professor antwortete nicht, sondern blickte weiter vor sich hin. Endlich, ohne auf die Frage einzugehen, sagte er:
    »O'Key, haben Sie Thévenoz gesehen?«
    »Thévenoz? Den Doktor Thévenoz? Nein!«
    »Ich habe ihn gesehen, er ist als einer der ersten hinter der verschleierten Frau zur Türe hinausgelaufen. Er sah furchtbar aus. Können Sie nicht zuerst etwas für ihn tun? Ich kann warten.«
    »Solange dieser Herr kein Vertrauen zu mir hat, kann ich ihm nicht helfen«, sagte O'Key schroff.
    »Eifersucht, O'Key? Das sollten Sie sich abgewöhnen. Nun, sprechen wir nicht mehr davon.« Er blickte plötzlich auf, sah lange auf Jakob, der sich stumm verhalten hatte, packte des Jungen Arm und bemerkte: »Du bist ja noch sehr jung und kommst doch in meine Vorlesungen. Ich habe dich schon ein paarmal bemerkt. Gefällt dir das, was ich erzähle?«
    »O ja, Herr Professor«, sagte Jakob ein wenig atemlos.
    »Nun, dann begleit mich ein wenig. Ich mag heut nicht gern allein gehen. Und unser Freund hier hat wahrscheinlich noch privat zu tun.«
    »Sie sind also der Bruder von Maître Rosène?« fragte O'Key und drückte Jakob die Hand. Dieser nickte. »Dann«, sagte O'Key, »finde ich es auch am besten, Sie nehmen sich ein wenig unseres Professors an. Er kann eine Begleitung brauchen.«
    »Mehr noch als Sie glauben, lieber O'Key«, Dominicé sammelte seine verstreuten Notizblättchen mit der Rechten, und bei dieser Bewegung erst fiel es O'Key auf, daß des Professors Linke zur Faust geballt auf dem Pult lag.
    »Was halten Sie denn

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