Der Tempel der Ewigkeit
gebieten.»
«Schlag dir das aus dem Kopf, mir ist jegliche Krankheit fremd. Benachrichtige mich, sobald die Königin aufwacht.»
Die Sonne sank bereits, als Serramanna dem Heilkundigen den Zutritt zum Arbeitszimmer des Königs gewährte.
Der Arzt fühlte sich unbehaglich.
«Die Königin ist erwacht, Majestät.»
Ramses erhob sich.
«Aber…»
«So sprich doch!»
Pariamakhou, der sich im Kreise seiner Standesbrüder gerühmt hatte, er würde den erlauchten werdenden Vater schon zu bändigen wissen, sehnte sich nach Sethos, wiewohl er ihn für störrisch und unangenehm gehalten hatte. Aber dieser Ramses kam einem Gewitter gleich, dessen Wüten man besser aus dem Weg ging.
«Die Königin ist soeben in das Entbindungsgemach geleitet worden.»
«Ich hatte verlangt, sie zu sehen.»
«Die Hebammen meinten, man dürfe keine Zeit verlieren.»
Ramses knickte die Binse, mit der er geschrieben hatte. Würde er die Kraft aufbringen, weiterhin zu regieren, falls Nefertari starb?
Die Hebammen, sechs weise Frauen aus dem Haus des Lebens, in langen Gewändern und mit breiten Halskragen aus Türkisen halfen Nefertari, zu Fuß in das Entbindungsgemach zu gehen, einen luftigen und mit Blumen geschmückten Pavillon. Wie alle Frauen Ägyptens würde Nefertari nackt niederkommen, mit aufrechtem Oberkörper und in hockender Haltung, auf Steinen, die mit einer Lage Schilf abgedeckt waren, dem Symbol für die Vergänglichkeit jedes Neugeborenen, dessen Lebenszeit der Gott Thot bestimmte.
Die erste weise Frau würde ihre Arme um Nefertaris Leib schlingen, die zweite ihr bei jeder Wehe zu Hilfe kommen, die dritte das Kind mit ihren Händen auffangen und die vierte ihm die erste Pflege angedeihen lassen, während die fünfte die Amme war und die sechste den Blicken der Königin so lange zwei Lebensschlüssel darbringen würde, bis das Kind seinen ersten Schrei ausgestoßen hatte. Wiewohl die sechs Frauen um die drohende Gefahr wußten, strahlten sie dennoch vollkommene Ruhe aus.
Nachdem die Oberhebamme Nefertari lange massiert hatte, legte sie ihr Umschläge auf den Unterleib und umwickelte ihr den oberen Teil des Bauches mit Binden. Da sie es für nötig erachtete, eine Geburt, die sich als besonders schmerzhaft ankündigte, zu beschleunigen, führte sie in die Scheide der Königin eine Paste ein, die sich aus Terebinthenharz, Zwiebeln, Milch, Fenchel und Salz zusammensetzte. Um den Schmerz zu lindern, würde sie Nefertari den Schambereich mit einer Mischung aus zerstoßenen Tonscherben und warmem Öl einreiben.
Die sechs weisen Frauen wußten, daß Nefertaris Kampf lange währen und von Ungewissem Ausgang sein würde.
«Möge die Göttin Hathor der Königin ein Kind bescheren, das keiner Krankheit anheim fällt!» betete eine von ihnen mit monotoner Stimme vor sich hin. «Verschwinde, du Dämon, der aus der Finsternis kommt, der heimtückisch eintritt und sein Angesicht nach hinten wendet! Du wirst dieses Kind nicht in deine Arme schließen, du wirst es nicht in den Schlaf wiegen, du wirst ihm keinen Schaden zufügen, du wirst es nicht mitnehmen! Möge es von dem Geist erfüllt werden, der ihm Leben einhaucht, auf daß ihm kein Zauber etwas anzuhaben vermag und die Sterne ihm gewogen seien.»
Als die Nacht hereinbrach, erfolgten die Wehen in immer kürzeren Abständen, und der Königin wurde eine zähe, vor allem aus dicken Bohnen bestehende Masse zwischen die Zähne gestrichen, damit sie fest zubeißen konnte, ohne sich selbst zu verletzen.
Ramses hielt es nicht mehr aus.
Als der Heilkundige Pariamakhou zum zehntenmal vor ihm erschien, befürchtete er, der König würde ihm an die Gurgel springen.
«Ist es endlich vorbei?»
«Ja, Majestät.»
«Wie geht es Nefertari?»
«Die Königin lebt, ist bei guter Gesundheit, und du hast eine Tochter.»
«Ist sie auch bei guter Gesundheit?»
«Das ist… etwas heikler.»
Ramses stieß den Arzt beiseite und eilte zum Entbindungsgemach, doch der Pavillon wurde gerade gesäubert.
«Wo sind die Königin und meine Tochter?»
«In einem Gemach des Palastes, Majestät.»
«Sag mir die Wahrheit!»
«Das Kind ist sehr schwach.»
«Ich will sie sehen.»
Entspannt, strahlend, aber erschöpft, schlief Nefertari. Die Oberhebamme hatte ihr einen Schlummertrunk verabreicht.
Das Neugeborene war von bemerkenswerter Schönheit. Rosig, mit erstaunten und zugleich neugierigen Augen schien die Tochter von Nefertari und Ramses das Leben wie ein Wunder zu genießen.
Der König nahm sie in
Weitere Kostenlose Bücher