Der Tempel der Ewigkeit
Haut und schmerzenden Muskeln rückten die Soldaten den Felsblock beiseite und begannen an der Stelle zu graben, die ihnen der König zeigte. Sie stießen tatsächlich auf Wasser, auf einen unterirdischen, an die zehn Ellen tiefen See, und ihre Freudenschreie stiegen bis in den Himmel empor.
Ramses ließ mehrere Schächte ausheben, eine ganze Reihe von Brunnen, die durch einen Tunnel miteinander verbunden wurden. Der König wandte dieses von den Bergleuten geschätzte Verfahren an, denn er begnügte sich nicht damit, nur seine Armee vor einem qualvollen Tod zu bewahren, sondern plante bereits, das Gelände weiträumig zu bewässern.
«Machst du es dir zur Aufgabe, hier blühende Gärten anzulegen?» fragte Setaou.
«Sind Fruchtbarkeit und Wachstum nicht die besten Spuren, die wir hinterlassen können?»
Serramanna begehrte auf.
«Vergißt du die aufrührerischen Nubier?»
«Nicht einen Augenblick.»
«Aber du machst Soldaten zu Erdarbeitern!»
«Nach unseren Gepflogenheiten gehört das oft zu ihren Aufgaben.»
«In der Seeräuberei zog man da klare Grenzen. Werden wir uns noch zu verteidigen wissen, falls wir von den Wilden angegriffen werden?»
«Habe ich dir nicht den Auftrag erteilt, für unsere Sicherheit zu sorgen?»
Während die Soldaten die Brunnenschächte und den Tunnel befestigten, fingen Setaou und Lotos herrliche Schlangen von überdurchschnittlicher Größe und sammelten kostbare Vorräte an Giften.
Beunruhigt ließ Serramanna seine Männer immer häufiger zu Erkundungsgängen in die Umgebung des Lagers ausschwärmen und nötigte sie, in kleineren Gruppen nacheinander ihre Kampfkraft wie in der Kaserne zu ertüchtigen. Viele vergaßen darüber den Anschlag auf die Goldkarawane und träumten nur noch davon, unter der Führung eines Pharaos, der Wunder wirkte, ins Niltal zurückzukehren.
«Nichts als Stümper», dachte der ehemalige Seeräuber.
Diese Ägypter dienten nur vorübergehend als Soldaten und wurden flugs wieder Tagelöhner oder Bauern. Sie waren nicht darin geübt, in eine Schlacht zu ziehen, sich einem blutigen Zweikampf zu stellen oder ein Gefecht auf Leben und Tod auszutragen. Nichts wog die Ausbildung zum Seeräuber auf, der stets auf der Hut und bereit sein mußte, jedwedem Feind mit einer beliebigen Waffe die Kehle zu durchschneiden. In seinem Unmut versuchte Serramanna nicht einmal, sie darin zu unterweisen, wie man heimtückisch angriff oder sich gegen einen unerwarteten Überfall zur Wehr setzte. Diese Fußtruppen würden es nie lernen, sich zu schlagen.
Dennoch beschlich den Sarden das Gefühl, daß die aufständischen Nubier nicht weit entfernt waren und seit mindestens zwei Tagen dem ägyptischen Lager näher rückten und es belauerten. Auch Ramses’ Löwe und der Hund witterten, daß etwas Feindseliges in der Luft lag. Sie wurden unruhig, schliefen weniger, stelzten steif umher und reckten ihre Schnauzen in den Wind.
Falls diese Nubier echten Seeräubern gleichkamen, würden sie den ägyptischen Expeditionstrupp aufreiben.
Die neue Hauptstadt Ägyptens wuchs mit erstaunlicher Schnelligkeit, doch Moses schenkte ihr keinerlei Beachtung mehr. Pi-Ramses war für ihn nur noch eine fremde Stadt, von falschen Göttern und Menschen bevölkert, die einem aberwitzigen Irrglauben frönten.
Getreu seiner Aufgabe feuerte er nach wie vor die Arbeiter auf den verschiedenen Baustätten an und achtete darauf, daß sie die vorgeschriebenen Stunden einhielten. Doch jedem war aufgefallen, daß er zunehmend strenger wurde, vor allem im Umgang mit den ägyptischen Vorarbeitern, an denen er - zumeist ohne Grund - eine übertriebene Auffassung von Gehorsam rügte. Er brachte mehr und mehr Zeit bei den Hebräern zu, und jeden Abend erörterte er mit kleinen Gruppen die Zukunft ihres Volkes. Viele waren mit den Umständen ihres Lebens zufrieden und verspürten keinerlei Neigung, daran etwas zu verändern und ein freies Heimatland zu finden. Ein solches Abenteuer schien ihnen zu gewagt.
Moses ließ jedoch nicht locker. Er beschwor ihren Glauben an einen einzigen Gott, ihre eigenständige Kultur, die Notwendigkeit, sich aus dem Joch der Ägypter zu befreien und von ihren Götzen abzuwenden. Manche gerieten ins Wanken, andere blieben unerschütterlich. Alle gaben indes zu, daß Moses zu einem Anführer wie geschaffen war, daß seine Tätigkeit den Hebräern zustatten kam und daß sich keiner seinen Reden verschließen konnte.
Ramses’ Freund aus Kindertagen schlief immer weniger. Er
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