Der Tempel der Ewigkeit
weitberühmten Verbündeten anflehst, unentwegt standzuhalten, doch abtust scheltenden Vorwurf.»
«Bist du etwa ein Hellseher?»
«Ich zweifle zwar nicht daran, daß du mich auch aus Höflichkeit besuchst, aber der künftige Pharao ist doch sicher hergekommen, um sich bei einem alten, arglosen Griechen Rat zu holen.»
Ramses lächelte. Homer gab sich eher rauh und redete ohne Umschweife, doch das gefiel ihm.
«Was meinst du, haben diese Männer aus eigenem Antrieb gehandelt oder auf Befehl von Menelaos?»
«Du kennst die Griechen nicht sonderlich gut! Verschwörungen anzuzettelnist ihr beliebtestes Spiel. Menelaos will Helena, und du verbirgst sie vor ihm, da bleibt ihm nur ein Ausweg: die Gewalt.»
«Damit hat er nichts gewonnen.»
«Menelaos ist schwach und dumm. Er wird allerdings nicht aufgeben und dir sogar in deinem eigenen Land den Krieg erklären, ohne sich Gedanken über die Folgen zu machen.»
«Was empfiehlst du mir?»
«Schick ihn samt Helena nach Griechenland zurück!»
« Aber sie weigert sich!»
«Diese Frau bringt nur Unglück und Tod, obwohl sie sich das nicht gewünscht hat. Es ist aussichtslos, den Lauf ihres Schicksals ändern zu wollen.»
«Sie kann frei entscheiden, in welchem Land sie leben möchte.»
«Ich will dich nur warnen. Übrigens, vergiß nicht, mir neue Papyrusrollen und Olivenöl von der besten Sorte bringen zu lassen.»
Mancher hätte das Benehmen des Dichters ein wenig unverschämt gefunden. Ramses mochte jedoch seine Offenheit, die ihm nützlicher sein würde als das besänftigende Gerede der Höflinge.
Kaum war Ramses durch das Tor getreten, das in seinen Flügel des Palastes führte, da stürzte Ameni ihm entgegen. Eine derartige Erregung war bei ihm ungewöhnlich.
«Was ist geschehen?»
«Menelaos… dieser Menelaos!»
«Was hat er denn getan?»
«Er hat Bedienstete des Hafens und auch Frauen und Kinder als Geiseln genommen und droht damit, sie zu töten, falls du ihm nicht noch heute Helena übergibst.»
«Wo hält er sich auf?»
«Auf seinem Schiff, mitsamt den Geiseln. Alle Boote seiner Flotte sind zum Auslaufen bereit. Kein einziger seiner Söldner ist mehr in der Stadt.»
«Gibt es jemanden, der für die Sicherheit im Hafen verantwortlich ist?»
«Sei nicht zu streng… Menelaos und seine Männer haben unsere Wachsoldaten überrumpelt.»
«Ist meine Mutter schon benachrichtigt worden?»
«Sie erwartet dich, zusammen mit Nefertari und Helena.»
Sethos’ Witwe sowie die Gemahlinnen von Ramses und Menelaos machten besorgte Gesichter. Tuja saß in einem niedrigen Sessel aus vergoldetem Holz und Nefertari auf einem Faltstuhl, während Helena stehen geblieben war und sich mit dem Rücken an eine hellgrüne, wie eine Lotosblüte geformte Säule lehnte.
Der kühle Audienzsaal der großen königlichen Gemahlin strahlte Ruhe aus, und zarte Düfte schmeichelten der Nase. Auf dem Thron des Pharaos lag ein Blumenstrauß, zum Zeichen dafür, daß das Land zur Zeit keinen Herrscher hatte.
Ramses verneigte sich vor seiner Mutter, küßte zärtlich seine Gemahlin und begrüßte Helena.
«Weißt du schon, was geschehen ist?» fragte Tuja.
«Ameni hat mir nicht verhehlt, wie ernst die Lage ist. Wie viele Geiseln sind es?»
«Etwa fünfzig.»
«Auch wenn es nur eine einzige wäre, müßte ihr Leben gerettet werden.»
Ramses wandte sich an Helena.
«Wird Menelaos die Geiseln töten, falls wir das Schiff stürmen?»
«Er wird sie mit eigener Hand erwürgen.»
«Sollte er es wirklich wagen, ein so barbarisches Verbrechen zu begehen?»
«Er will mich zurückhaben. Wenn ihm das nicht gelingt, wird er töten, bevor er selbst getötet wird.»
«Und deshalb Unschuldige ermorden…»
«Menelaos ist ein Krieger. Für ihn gibt es nur Verbündete und Feinde.»
«Und seine eigenen Männer… Ist ihm eigentlich klar, daß nicht einer es überlebt, wenn die Geiseln umgebracht werden?»
«Sie werden als Helden sterben, daran nimmt ihre Ehre keinen Schaden.»
«Helden? Die Mörder wehrloser Menschen?»
«Siegen oder sterben, ein anderes Gesetz kennt Menelaos nicht.»
«Ist die Unterwelt für griechische Helden nicht ein dunkler Abgrund ohne jede Hoffnung?»
«Für uns hat der Tod wohl etwas Düsteres, das stimmt, doch die Kampfeslust ist stärker als der bloße Wille zum Überleben.»
Nefertari ging auf Ramses zu.
«Was gedenkst du zu tun?»
«Ich werde allein und unbewaffnet an Bord seines Schiffes gehen und versuchen, Menelaos zur Vernunft zu
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