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Der Tempel der Ewigkeit

Der Tempel der Ewigkeit

Titel: Der Tempel der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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längere Unterredung mit einem Kaufmann, selbst wenn alle um seine Leidenschaft für fremdländische Vasen wußten.
    Müßte er nicht Acha von diesem geheimen Bündnis mit den hethitischen Feinden in Kenntnis setzen? Nein, das wäre ein Fehler. Chenar hielt es für besser, seine Anhänger so wenig wie möglich voneinander wissen zu lassen. Auf diese Weise würde er mit noch größerem Geschick ans Werk gehen und denkbare Fehlschläge besser verschleiern können.
    Im lichten Schatten einer Sykomore schrieb Königin Tuja die Geschichte der Herrschaft ihres Gemahls Sethos nieder. Dabei entsann sie sich wieder der großen Ereignisse einer gesegneten Zeit, in der Ägypten in Glück und Frieden gelebt hatte. Jeder Gedanke, jede Geste des Pharaos hatten sich ihrem Gedächtnis eingeprägt. Ihr waren weder seine Hoffnungen noch seine Ängste verborgen geblieben, und sie hatte sich die Erinnerung an die Augenblicke engster Vertrautheit bewahrt, in denen ihre Seelen eins geworden waren.
    In ihr lebte Sethos weiter.
    Als sie Ramses kommen sah, spürte sie, daß in ihm die Macht des verstorbenen Königs ungebrochen fortbestand. Ein Pharao ohne jeden Makel, gleich einem Obelisken wie aus einem Block gehauen und imstande, jedwedem Sturm zu trotzen. Die Kraft der Jugend verstärkte diesen Anschein der Unverwundbarkeit noch.
    Ramses küßte seiner Mutter die Hände und ließ sich zu ihrer Rechten nieder.
    «Du schreibst und schreibst den ganzen Tag.»
    «Und sogar noch des Nachts. Würdest du mir denn verzeihen, wenn ich auch nur eine Kleinigkeit vergäße? Du siehst besorgt aus.»
    Es war verblüffend, wie schnell Tuja ihn stets durchschaute.
    «Der Oberpriester des Amun lehnt sich gegen die Macht des Königs auf.»
    «Sethos hatte bereits vorhergesehen, daß dieser Zwist früher oder später unausweichlich sein würde.»
    «Und wie hätte er sich verhalten?»
    «Weißt du das wirklich nicht? Es gibt nur einen einzigen Weg, den du gehen kannst.»
    «Das sagt Nefertari auch.»
    «Sie ist die Königin von Ägypten, Ramses, und wie jede Königin muß sie darüber wachen, daß die Gesetze der Maat eingehalten werden.»
    «Mahnst du nicht zur Mäßigung?»
    «Sobald es gilt, die Einheit des Landes zu bewahren, ist Mäßigung nicht mehr angebracht.»
    «Aber wenn ich einen Oberpriester des Amun seines Amtes enthebe, löse ich damit furchtbare Unruhen aus.»
    «Wer herrscht, mein Sohn: du oder er?»
     

DREIUNDZWANZIG
     
     
    IN LANGER REIHE zogen die Packesel durch eine Pforte in der Umfassungsmauer von Karnak. Sie wurden von einem alten Grautier angeführt, das jedes Staubkorn auf dem Weg von der Weberei zum Tempel kannte.
    Da es sich um eine überaus große Lieferung handelte, war Bakhen angewiesen worden, sie zusammen mit einem anderen Priester in Empfang zu nehmen. Jedes für die Herstellung ritueller Gewänder vorgesehene Stück Leinen erhielt eine Nummer, die nebst Angaben über Herkunft und Güte in ein Verzeichnis eingetragen wurde.
    «Was für eine schöne Ware», lobte Bakhens Amtsbruder, ein kleiner, verschmitzt aussehender Mann. «Bist du neu hier?»
    «Ich bin seit einigen Monaten im Tempel.»
    «Und wie gefällt dir das Leben in Karnak?»
    «Es ist so, wie ich es erwartet habe.»
    «Welchem Beruf gehst du nach, wenn du nicht im Tempel dienst?»
    «Meine Vergangenheit ist vergessen, und ich habe darum gebeten, ständig hier dienen zu dürfen.»
    «Ich bleibe immer nur für zwei Monate in Karnak, in den Lagerhäusern, und danach kehre ich in die Stadt zurück. Da führe ich die Aufsicht über die Fährkähne. Das ist nicht sehr anstrengend… Hier kommt man dagegen nie zur Ruhe!»
    «Warum erlegst du dir dann diese Bürde auf?»
    «Das ist meine Sache. Und jetzt an die Arbeit! Ich kümmere mich um die allerfeinsten Gewebe und du dich um die anderen.»
    Sobald man einem Esel seine Last abgenommen hatte, wurde das Leinen behutsam auf einen mit Stoff bespannten Schlitten gelegt. Bakhen überprüfte Stück um Stück, verzeichnete es auf einer hölzernen Tafel und versäumte nicht, den Tag der Lieferung hinzuzufügen. Wie ihm schien, schrieb sein Amtsbruder kaum etwas auf, sondern verbrachte den Großteil der Zeit damit, sich umzusehen, als befürchte er, heimlich beobachtet zu werden.
    «Ich habe Durst», sagte er nach einer Weile. «Möchtest du auch etwas trinken?»
    «Ja, gern.»
    Der Priester mit dem verschmitzten Gesicht entfernte sich. Da er seine Schreibtafel auf dem Rücken des alten Esels liegengelassen hatte, warf

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