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Der Tempel der Ewigkeit

Der Tempel der Ewigkeit

Titel: Der Tempel der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Jacq
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Entweder hat der Oberpriester auf schändliche Weise selbst daran Anteil, oder er überwacht seine Bediensteten nicht mehr ausreichend. Im einen wie im anderen Fall verdient er nicht, noch länger diesem Tempel vorzustehen.»
    «Kannst du diesem Bakhen trauen?»
    «Er ist zwar noch jung, hat aber sein Leben ganz und gar Karnak verschrieben. Die Aufdeckung dieses Diebstahls hat ihn in tiefe Verzweiflung gestürzt. Obgleich er der Ansicht war, er dürfe nicht schweigen, mußte ich ihm dennoch Wort für Wort mühsam entlocken, um die Wahrheit zu erfahren. Bakhen bezichtigt keinen ohne Grund, und er läßt sich auch nicht vom eigenen Ehrgeiz verführen.»
    «Wann triffst du den Oberpriester?»
    «Noch heute morgen. Es wird einen heftigen Streit geben, denn er wird jede Schuld von sich weisen und beteuern, ihm widerfahre Unrecht.»
    «Was befürchtest du?»
    «Daß er Handel und Wandel des Tempels lahmlegen und wenigstens für einige Monate die Verteilung der Nahrungsmittel behindern wird. Das ist der Preis, den ich zahlen muß, wenn ich die von ihm angestrebte Teilung des Landes vereiteln will.»
    Der Ernst seiner Worte beeindruckte Nefertari. Ramses war kein Tyrann, der sich eines mißliebigen Rivalen zu entledigen suchte, sondern ein Pharao, der darum wußte, wie notwendig die Einheit der Beiden Länder war, und der entschlossen jedes Wagnis eingehen würde, um sie zu bewahren.
    «Ich muß dir etwas gestehen», sagte sie versonnen.
    «Hast du etwa eigene Ermittlungen in Karnak angestellt?»
    «Nein, nichts dergleichen.»
    «Dann hat meine Mutter es wohl getan und legt dir ihre Worte in den Mund.»
    «Auch nicht.»
    «Betrifft es meine Unterredung mit dem Oberpriester?»
    «Nein, doch es mag für die Führung des Staates bedeutsam sein.»
    «Willst du mich auf die Folter spannen?»
    «Ja, noch einige Monate… Ich bin schwanger.»
    Ramses nahm Nefertari behutsam in die Arme. Seine Kraft würde sie beschützen.
    «Ich bestehe darauf, daß die besten Ärzte des Königreichs sich Tag und Nacht um dich kümmern.»
    «Mach dir keine Sorgen.»
    «Wie könnte ich das? Ich hoffe, daß unser Kind schön und stark wird, aber dein Leben und deine Gesundheit sind mir wichtiger als alles andere.»
    «Mir wird es an nichts mangeln, und ich bin mir der besten Pflege gewiß.»
    «Kann ich dir befehlen, daß du dir von nun an weniger Arbeit aufbürdest?»
    «Würdest du denn eine faule Königin dulden?»
    Ramses verlor allmählich die Geduld. Der Oberpriester des Amun hatte sich in einem Maß verspätet, daß es beleidigend wurde. Welche Entschuldigung mochte der Gottesdiener ersinnen, um sein Fernbleiben zu rechtfertigen? Falls ihm Bakhens Enthüllungen zu Ohren gekommen waren, würde er gewiß versuchen, die amtlichen Ermittlungen im Keim zu ersticken, indem er die Beweise vernichtete und die Schuldigen sowie die belastenden Zeugen aus dem Weg räumte. Doch diese den Lauf der Dinge verzögernden Machenschaften würden sich am Ende gegen ihn richten.
    Während sich die Sonne bereits ihrem höchsten Stand näherte, bat der Vierte Prophet des Amun um eine Audienz. Der König empfing ihn unverzüglich.
    «Wo befindet sich der Erste Prophet und Oberpriester des Amun?»
    «Er ist soeben verschieden, Majestät.»
     

VIERUNDZWANZIG
     
     
    AUF GEHEISS DES Pharaos wurde eine Versammlung einberufen. Ihr gehörten der Zweite, der Dritte und der Vierte Prophet des Amun von Karnak an sowie die Oberpriester und Oberpriesterinnen der wichtigsten Heiligtümer Ägyptens. Es fehlten nur die Tempelvorsteher von Dendera und Athribis, von denen der erste zu bejahrt war, um sich noch auf eine Reise zu begeben, während den zweiten eine Krankheit in seinem Amtssitz im Delta zurückhielt. Ihre Plätze nahmen zwei mit Vertretungsvollmachten ausgestattete Abgesandte ein.
    Diese Männer und Frauen reiferen Alters, denen es oblag, in ihren jeweiligen Heiligtümern im Namen des Königs die Rituale zu vollziehen, hatten sich im Tempel Thutmosis’ III. in einem Saal eingefunden, der den Namen «Der, dessen Denkmal strahlt wie das Licht» trug. Hier wurden die Oberpriester des Amun in ihr Amt eingesetzt, und hier wurden ihnen auch ihre Pflichten verkündet.
    «Es ist mir ein Bedürfnis, euren Rat einzuholen, ehe ich entscheide, wer fortan der Priesterschaft von Karnak vorstehen soll», erklärte Ramses.
    Viele nickten beifällig. Sollte der neue Pharao doch nicht so unüberlegt handeln, wie man es ihm nachsagte?
    «Fällt dieses Amt nicht von Rechts wegen dem

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