Der Tempel der Ewigkeit
begonnen, bemerkenswert zu werden versprach. Keiner zweifelte mehr daran, daß die Götter diesen jungen Mann ausersehen hatten, um die Beiden Länder zu regieren, ihre Einheit zu bewahren und ihr Ansehen zu mehren.
Nur Serramanna trug Mißmut zur Schau. Die Sicherheit des Königs zu gewährleisten erforderte pausenloses Heldentum. Würdenträger zuhauf wünschten dem Pharao ihre Aufwartung zu machen, und der fuhr zu allem Überfluß unter dem Jubel seines Volkes im Wagen durch die Hauptstraßen von Memphis. Die Mahnungen des Sarden, er möge Vorsicht walten lassen, schlug er in den Wind und berauschte sich statt dessen an seiner Beliebtheit.
Doch der König brachte sich nicht nur in der Hauptstadt auf diese Weise in Gefahr, sondern er wagte sich auch aufs Land hinaus, von dem der Großteil noch überflutet war. Die Bauern besserten während der Überschwemmung ihre Werkzeuge und Pflüge aus und verstärkten die Speicher, während die Kinder schwimmen lernten. Kraniche mit schwarzen Schnäbeln flogen über sie hinweg, und ganze Herden kaum wahrnehmbarer Nilpferde lagen träge im Fluß. Da Ramses sich pro Nacht nur zwei oder drei Stunden Schlaf gönnte, gelang es ihm, viele Dörfer zu besuchen, in denen ihn die Männer von Rang ihrer unverbrüchlichen Treue versicherten und er das Vertrauen der einfachen Menschen gewann.
Als er nach Memphis zurückkehrte, begann das Wasser bereits zu sinken, und die Ackersleute bereiteten die Aussaat vor.
«Du scheinst nicht einmal erschöpft zu sein», bemerkte Nefertari.
«Wie könnte ich denn Müdigkeit verspüren, wenn ich unter meinem Volk weile? Aber du siehst ein wenig abgespannt aus.»
«Eine Unpäßlichkeit…»
«Was sagen die Ärzte?»
«Daß ich mich zu Bett legen sollte, falls ich mir eine Niederkunft ohne Zwischenfälle erhoffe.»
«Und warum bist du dann auf?»
«Während deiner Abwesenheit mußte ich…»
«Ich werde bis zu deiner Niederkunft Memphis nicht mehr verlassen.»
«Und dein großer Plan?»
Ramses wirkte verstimmt.
«Gestehst du mir… eine kurze Reise zu?»
Die Königin lächelte.
«Was vermöchte ich denn dem Pharao zu verwehren?»
«Wie herrlich unser Land ist, Nefertari! Während ich es durchstreifte, kam ich zu der Einsicht, daß es ein Wunder des Himmels und eine Tochter des Nils und der Sonne sei. In ihm vereinen sich die Kraft des Horus und die Schönheit der Hathor. Ihm müssen wir jeden Augenblick unseres Lebens weihen. Wir beide sind nicht dazu geboren, Ägypten zu beherrschen, sondern ihm zu dienen.»
«Das dachte ich ehedem auch.»
«Was willst du damit sagen?»
«Dienen ist das Vornehmste, was ein Mensch zu tun vermag. Dadurch, und nur dadurch, ist Vollkommenheit zu erlangen. Hem, ‹der Diener›… Bezeichnet dieses erhabene Wort nicht sowohl den bescheidensten Mann, den Handlanger auf einer Baustätte oder den Arbeiter auf dem Feld, als auch den mächtigsten, den Pharao, den Diener der Götter und seines Volkes? Seit der Krönung wurde ich indes auch einer anderen Wirklichkeit gewahr. Du und ich, wir dürfen uns nicht damit zufriedengeben, nur zu dienen. Wir müssen auch lenken, den Weg weisen und das Steuer zu handhaben wissen, damit das Staatsschiff nicht aus dem Ruder läuft. Das kann uns niemand abnehmen.»
Die Miene des Königs verdüsterte sich.
«Als mein Vater starb, da empfand ich das gleiche Gefühl. Welches Glück es war, einen überlegenen Menschen an meiner Seite zu wissen, der mächtiger ist, imstande, zu führen, zu raten und zu befehlen! Dank seiner war keine Schwierigkeit unüberwindlich, kein Unheil unabwendbar.»
«Das erwartet dein Volk nun von dir.»
«Ich habe der Sonne ins Antlitz geblickt, und sie hat meine Augen nicht versengt.»
«Die Sonne ist in dir, Ramses. Sie spendet Leben, läßt die Pflanzen wachsen, die Tiere und Menschen gedeihen, doch sie vermag auch auszudörren und zu töten, wenn sie zu stark wird.»
«Die Wüste ist von der Sonne ausgeglüht, dennoch birgt sie Leben!»
«Die Wüste ist das Jenseits auf Erden. In ihr bauen die Menschen keine Wohnstätten. Dort werden nur die Häuser für die Ewigkeit errichtet, die für Generationen fortbestehen und die Zeit überdauern werden. Ist ein Pharao nicht versucht, seine Gedanken in die Wüste zu tragen und dabei die Menschen zu vergessen?»
«Mein Vater war ein Mann der Wüste.»
«Das muß jeder Pharao sein, aber sein Blick muß auch das Tal erblühen lassen.»
Ramses und Nefertari genossen gemeinsam den abendliehen Frieden, als
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