Der Tempel der Ewigkeit
Ausdruck finden. Ist das Eitelkeit, Moses?»
«Das ist sich jeder Pharao schuldig, so gebietet es die Tradition.»
Ramses wirkte besorgt.
«Die Welt ist im Begriff, sich zu verändern. Die Hethiter stellen eine ständige Bedrohung dar. Ägypten ist ein reiches Land und weckt Begehrlichkeiten. Das sind die Wahrheiten, die mich zu meinem Vorhaben bewogen haben.»
«Willst du die Schlagkraft der Armee stärken?»
«Nein, Moses, aber das Herz Ägyptens verlagern.»
«Heißt das…»
«Ich will eine neue Hauptstadt bauen.»
Der Hebräer war sprachlos.
«Ist das nicht… eine Torheit?»
«Das Schicksal unseres Landes entscheidet sich an seiner Grenze im Nordosten. Deshalb sollten alle wichtigen Staatsämter ihren Sitz im Delta haben. Nur so erlangen sie unverzüglich Kenntnis von allen Vorkommnissen im Libanon, in Syrien und in unseren Schutzgebieten, die durch die Hethiter gefährdet sind. Theben wird die Stadt Amuns bleiben, eine prächtige Stadt, in der sich der riesige Tempel von Karnak und der bewunderungswürdige von Luxor erheben, die ich beide noch schöner gestalten werde. Auf dem westlichen Ufer wachen für alle Zeit die Berge des Schweigens über das Tal der Könige und das der Königinnen sowie über die Häuser für die Ewigkeit der Gerechtfertigten.»
«Aber… was wird aus Memphis?»
«Memphis ist die Waage der Beiden Länder, am Übergang vom Niltal zum Delta. Es wird unsere wirtschaftliche Hauptstadt bleiben, und von hier aus werden wir alle inneren Angelegenheiten regeln. Aber wir müssen weiter in den Norden und weiter in den Osten, Moses. Wir dürfen uns nicht in unsere herrliche Abgeschiedenheit zurückziehen, dürfen nicht vergessen, daß wir bereits überfallen wurden und daß Ägypten eine verlockende Beute darstellt.»
«Reichen die Festungen entlang den Grenzen nicht aus?»
«Im Falle unmittelbarer Gefahr muß ich sehr schnell handeln. Je näher ich mich an der Grenze befinde, desto eher erreichen mich die Nachrichten aus den Ostländern.»
«Die Gründung einer neuen Hauptstadt ist ein gewagtes Unterfangen. Hat Echnaton damit nicht eine Niederlage erlitten?»
«Echnaton beging unverzeihliche Fehler. Auf dem von ihm ausgesuchten Gelände in Mittelägypten lastete vom ersten Stein an ein Fluch, denn er hatte nicht nach dem Wohl seines Volkes getrachtet, sondern nur nach der Erfüllung seines mystischen Traums.»
«Hat er sich nicht wie du gegen die Priester des Amun gestellt?»
«Ich sehe keinen Grund, gegen den Oberpriester des Amun einzuschreiten, solange er den Gesetzen der Maat und dem König treu bleibt.»
«Echnaton glaubte nur an einen Gott und baute zu dessen Ruhm eine Stadt.»
«Er richtete das blühende Land, das ihm sein Vater, der große Amenophis III. hinterlassen hatte, beinahe zugrunde. Echnaton war schwach und wankelmütig, unentwegt in seine Gebete versunken. Unter seiner Herrschaft haben die Ägypten feindlich gesinnten Mächte zahlreiche Gebiete erobert, die ehedem unserem Einfluß unterstanden hatten. Legst du es darauf an, ihn zu verteidigen?»
Moses zögerte.
«Seme Hauptstadt ist heute verlassen.»
«Meine wird für mehrere Generationen gebaut.»
«Du machst mir beinahe angst, Ramses.»
«Faß wieder Mut, Freund!»
«Wie viele Jahre wird es dauern, um aus dem Nichts eine Stadt erstehen zu lassen?»
Ramses lächelte.
«Sie wird nicht aus dem Nichts erstehen.»
«Erkläre dich deutlicher.»
«In den Jahren meiner Ausbildung führte mich Sethos zu allen wichtigen Stätten. Auf jeder Reise ließ er mir eine Lehre zuteil werden, und ich mühte mich, sie zu ergründen. Doch der Sinn dieser Pilgerfahrten enthüllt sich mir erst jetzt wirklich. Eine dieser Stätten war Auaris.»
«Auaris, die verfemte Hauptstadt der Hyksos, dieser Eindringlinge aus dem Osten?»
«Sethos trug den Namen des Gottes Seth, des Brudermörders, weil seine Macht stärker war als die Kraft der Zerstörung. Er entlockte ihr das verborgene Licht und verwandelte sie in eine Kraft des Friedens.»
«Und du möchtest gern Auaris in eine Stadt des Ramses verwandeln?»
«Pi-Ramses,‹die Stadt des Ramses›, Hauptstadt Ägyptens, so soll sie tatsächlich heißen.»
«Das ist Wahnsinn!»
«Pi-Ramses wird eine prachtvolle, eine gastfreundliche Stadt werden, und die Dichter werden ihre Schönheit besingen.»
«In wie vielen Jahren?»
«Ich habe deine Frage nicht vergessen. Um ihretwillen habe ich dich herkommen lassen.»
«Allmählich befürchte ich, daß ich verstehe…»
«Ich
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