Der Tempel der vier Winde - 8
erleichtert, daß alles so gut gelaufen war und er die Frau nicht verletzt hatte.
Er ging um das Fußende des Bettes herum, um sich den Mann auf dem Boden anzusehen, der wie erstarrt dalag, den Mund zum Ansatz eines Schreis geöffnet, die Hände zusammengekrallt, um sich zu verteidigen.
Das war nicht Nathan.
Zedd starrte ihn ungläubig an. Er konnte die Magie des Halsrings im Zimmer spüren. Er wußte, daß dies der Mann war, den er gejagt hatte.
Er beugte sich über den Mann. »Ich weiß, daß du mich verstehen kannst, also hör mir genau zu. Ich werde jetzt die Magie lockern, die dich hält, aber wenn du schreist, ziehe ich sie wieder fester an und lasse dich für immer in diesem Zustand. Denk genau nach, bevor du es riskierst, um Hilfe zu rufen. Wie du dir wahrscheinlich schon gedacht hast, bin ich ein Zauberer, und niemand, der hier auftaucht, wird etwas zu deiner Rettung tun können, wenn du mein Mißfallen erregst.«
Zedd fuhr vor dem Mann mit der Hand hin und her und nahm den Schleier des Netzes zurück. Der Mann krabbelte auf allen vieren rückwärts an die Wand, sagte aber noch immer kein Wort. Er war alt, aber nicht älter, als Nathan wirkte. Sein Haar war weiß, wenn auch, im Gegensatz zu Nathans glattem Haar, wellig. Es war auch nicht ganz so lang, aber offenbar hatte die knappe Beschreibung dem Wirt gereicht, um in diesem Mann den Gesuchten zu vermuten.
»Wer bist du?« fragte Zedd.
»Ich heiße William. Dann seid Ihr Zedd.«
Zedd richtete sich auf. »Woher weißt du das?«
»Der Kerl, nach dem Ihr wohl sucht, hat es mir gesagt.« Er zeigte auf den Stuhl ganz in der Nähe. »Was dagegen, wenn ich meine Hose anziehe? Ich habe so ein Gefühl, daß ich sie heute nicht mehr auszuziehen brauche.«
Zedd neigte den Kopf leicht zur Seite, deutete auf den Stuhl und gab William zu verstehen, er solle endlich loslegen. »Red weiter dabei. Und denk dran, ich hab’ dir gesagt, daß ich Zauberer bin. Ich bemerke es, wenn mir jemand einen Bären aufbinden will. Denk außerdem daran, daß ich plötzlich bei sehr schlechter Laune bin.«
Was das Erkennen von Lügen anbetraf, sprach Zedd nicht ganz die Wahrheit, dennoch zählte er darauf, daß der Mann das nicht wußte. Was seine Laune anbetraf, stimmte das, was er gesagt hatte.
»Ich bin dem Mann, den Ihr verfolgt, zufällig begegnet. Er hat mir seinen Namen nicht verraten. Er bot mir an…« William blickte hinüber zur Frau, während er sich seine Hosen hochzog. »Darf sie das hören?«
»Wegen ihr brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Sondern wegen mir.« Zedd knirschte mit den Zähnen. »Red schon.«
»Na ja, er bot mir an…« Er linste zu der Frau hinüber. Ihr faltiges Gesicht war zu einer erschrockenen Maske erstarrt. »Er bot mir … einen Beutel voll Geld, wenn ich ihm einen Gefallen tue.«
»Was für einen Gefallen?«
»Daß ich mich für ihn ausgebe. Er trug mir auf, wenigstens bis hierher zu reiten, als sei der Hüter höchstpersönlich hinter mir her. Er sagte, wenn ich hier sei, könnte ich es langsamer angehen lassen, anhalten oder mich ausruhen, was immer ich wollte. Er meinte, Ihr würdet mich einholen.«
»Und das wollte er?«
William knöpfte seine Hose zu, ließ sich nach hinten auf den Stuhl fallen und ging daran, seine Stiefel überzustreifen. »Er sagte, ich könne Euch nicht abschütteln und Ihr würdet mich früher oder später einholen, aber er wollte nicht, daß das passiert, bevor ich wenigstens bis hierhin gekommen wäre. Ich bin sehr schnell geritten, aber ich muß gestehen, ich glaubte nicht, daß Ihr mir so dicht auf den Fersen seid, also dachte ich, ich genieße ein wenig von meinem verdienten Geld.«
William stand auf und schob einen Arm in ein braunes Wollhemd. »Ich soll Euch eine Nachricht übergeben.«
»Eine Nachricht? Was für eine Nachricht?«
William stopfte sein Hemd in die Hose, dann griff er in eine Hosentasche und zog einen ledernen Geldbeutel heraus. Er schien voller Münzen zu sein.
William öffnete den Beutel umständlich. »Sie ist hier drin, zusammen mit dem Geld, das er mir gab.«
Zedd entriß dem Mann den Beutel. »Ich sehe selber nach.«
Der Geldbeutel enthielt überwiegend Goldmünzen, dazu ein wenig Silber. Zedd nahm eine der Münzen zwischen Daumen und Zeigefinger. Er spürte das leichte Nachkribbeln von Magie. Die Münzen waren ursprünglich wahrscheinlich Kupferstücke gewesen, und Nathan hatte sie in Gold verwandelt.
Zedd hatte gehofft, daß Nathan diesen Trick nicht kenne.
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