Der Tempel der vier Winde - 8
sich unter dem Ärmel seines Kettenhemdes. »Prälatin, die Imperiale Ordnung behauptet, der Magie in dieser Welt ein Ende machen zu wollen. Dabei wissen wir alle, daß sie bei ihrem Versuch, uns zu vernichten, selbst Magie einsetzt.«
»Das stimmt.«
Er wußte, daß die meisten Schwestern der Finsternis auf einen Wink von Kaiser Jagang bereitstanden. Er hatte auch junge Zauberer, die ihm zu Befehl waren. Außerdem hatte er eine Anzahl von Schwestern des Lichts gefangengenommen und beherrschte sie mit Hilfe seiner Fähigkeiten als Traumwandler. Das war es, was ihr Gewissen quälte. Als Prälatin oblag es letzten Endes ihr, für die Sicherheit der Schwestern des Lichts zu sorgen. Einige ihrer Schwestern befanden sich nun in Jagangs Hand.
»Nun, Prälatin, in Anbetracht der Tatsache, daß die gegnerischen Truppen wahrscheinlich von Zauberern begleitet werden, frage ich mich, ob ich darauf zählen kann, daß Ihr und Eure Schwestern gegen sie antretet. Lord Rahl meinte: ›Ihr seid bei Ihnen sicherer aufgehoben, und sie bei Euch ebenfalls.‹ Für mich klingt das, als wollte er, daß Ihr Eure Magie benutzt, um uns gegen die Armee der Imperialen Ordnung zu unterstützen.«
Verna hätte gern geglaubt, daß sich der General täuschte. Zu gern hätte sie auch geglaubt, daß die Schwestern des Lichts, die den Auftrag hatten, das Werk des Schöpfers zu tun, darüber erhaben wären, jemandem ein Leid zuzufügen.
»Das gefällt mir gar nicht, General Reibisch, nur fürchte ich, ich bin trotzdem einverstanden. Wenn wir diesen Krieg verlieren, verlieren wir ihn alle gemeinsam, nicht nur unsere Soldaten auf dem Schlachtfeld. Alle freien Menschen werden zu Sklaven der Imperialen Ordnung werden. Wenn Jagang gewinnt, wird er die Schwestern des Lichts hinrichten lassen. Wir alle müssen entweder kämpfen oder sterben.
Die Imperiale Ordnung wird sich nur ungern so bequem in Eure Pläne fügen wollen. Möglicherweise versuchten sie, unbemerkt vorbeizuschleichen – weiter westlich, möglicherweise sogar weiter östlich von Euch. Die Schwestern könnten dabei helfen, die Bewegungen des Feindes aufzuspüren, sollte er in die Neue Welt vordringen.
Wenn jene, die Magie besitzen, die Bewegungen der Imperialen Ordnung vor Euch verbergen, werden unsere Schwestern das merken. Wir werden Eure Augen sein. Wenn es zu Kämpfen kommt, wird der Feind Magie einsetzen, um Euch zu besiegen. Wir werden unsere Kraft benutzen, um diesen Plan zu vereiteln.«
Der General sah einen Augenblick nachdenklich in die Flammen. Er schaute kurz zu den Männern hinüber, die sich zur Nacht schlafen legten.
»Danke, Prälatin. Ich weiß, diese Entscheidung fällt Euch nicht leicht. Seit Ihr bei uns seid, habe ich die Schwestern als sanftmütige Frauen kennengelernt.«
Verna mußte schallend lachen. »General, Ihr habt uns überhaupt noch nicht kennengelernt. Die Schwestern des Lichts sind vieles, sanftmütig hingegen sind sie ganz bestimmt nicht.« Sie machte eine knappe Bewegung mit dem Handgelenk. Der Dacra schnellte hervor. Ein Dacra ähnelte einem Messer, hatte jedoch einen spitzen Dorn anstelle einer Klinge.
Verna ließ den Dacra um die Finger kreisen. »Ich mußte schon einmal Männer töten.« Der Widerschein des Feuers blinkte und funkelte auf der Waffe, die sie mit geübter Leichtigkeit herumwirbelte und über die Fingerknöchel wandern ließ. »Eins kann ich Euch versichern, General, ich war dabei alles andere als sanftmütig.«
Er runzelte die Stirn. »Ein Messer in begabten Händen wie den Euren bedeutet Ärger, aber den Waffen des Krieges ist es wohl kaum ebenbürtig.«
Sie lächelte höflich. »Diese Waffe verfügt über tödliche Magie. Wenn Ihr eine dieser Waffen auf Euch zukommen seht, dann lauft davon. Sie braucht bloß Eure Haut zu ritzen – und sei es nur Euer kleiner Finger –, und Ihr seid tot, bevor Ihr mit den Augen blinzeln könnt.«
Er richtete sich auf, und seine Brust schwoll unter einem tiefen Seufzer an. »Danke für die Warnung. Und danke für Eure Hilfe, Prälatin. Ich bin froh, Euch auf unserer Seite zu wissen.«
»Ich bedauere, daß Jagang einige von unseren Schwestern des Lichts unter seiner Kontrolle hat. Sie können dasselbe tun wie ich, vielleicht sogar mehr.« Als sie sah, wie blaß sein Gesicht geworden war, gab sie ihm einen tröstlichen Klaps auf die Schulter. »Gute Nacht, General Reibisch. Schlaft gut – der rote Mond ist verschwunden.«
Verna sah zu, wie der General sich unter seine Offiziere mischte, mal
Weitere Kostenlose Bücher