Der Tempel der vier Winde - 8
hier stehen, auf diesem Fleck, und zwar, bis wir zurückkommen. Ob das in zwei Stunden oder in zwei Tagen geschieht, ist unerheblich. Wenn du dich hinsetzt oder außer deinen Fußsohlen irgendein anderer Teil von dir den Boden berührt, wirst du hier ganz alleine mit den Schmerzen sein, die es mit sich bringt, wenn man sich meinen Wünschen widersetzt. Kapiert?«
Er blinzelte, als ihm ein Schweißtropfen ins Auge lief. »Ja, Herrin Cara.«
»Glaubt Ihr, es ist wirklich nötig, Cara, daß –«
»Ja. Ich weiß, was ich tue. Laßt mich nur machen. Ihr habt mich selbst darauf gebracht, was auf dem Spiel steht und daß wir keine Risiken eingehen dürfen.«
Kahlan gab nach. »Also gut.«
Sie ergriff eine Sprosse über ihrem Kopf und begann, die Leiter hinaufzuklettern. Auf der zweiten Sprosse hielt sie inne und sah sich um. Stirnrunzelnd stieg sie wieder hinunter.
»Marlin, bist du alleine nach Aydindril gekommen?«
»Nein, Mutter Konfessor.«
Cara packte den Kragen seiner Uniformjacke. »Was? Du bist zusammen mit anderen hergekommen?«
»Ja, Herrin Cara.«
»Mit wie vielen?«
»Mit einer anderen, Herrin Cara. Sie war eine Schwester der Finsternis.«
Kahlan packte ihn ebenfalls an der Jacke. »Wie war ihr Name?«
Von den beiden Frauen eingeschüchtert, versuchte er, ein Stück zurückzuweichen, aber ihr Griff an seiner Uniformjacke ließ das nicht zu. »Ich kenne ihren Namen nicht«, jammerte er. »Ich schwöre.«
»Sie war eine Schwester der Finsternis aus dem Palast, wo du nahezu ein Jahrhundert gelebt hast, und du kennst ihren Namen nicht?« fuhr Kahlan ihn an.
Marlin fuhr sich abermals mit der Zunge über die Lippen. Sein Blick wanderte zwischen den Frauen hin und her. »Es gab Hunderte von Schwestern im Palast der Propheten. Und Regeln. Man hatte uns Lehrer zugeteilt. Es gab Orte, an die wir nicht gingen, und Schwestern, mit denen wir nie in Kontakt kamen, zum Beispiel jene, die die Verwaltungsarbeit machten. Ich kannte sie nicht alle, das schwöre ich. Ihr bin ich schon einmal im Palast begegnet, aber ihren Namen wußte ich nicht, und sie hat ihn mir auch nicht verraten.«
»Wo ist sie jetzt?«
Marlin zitterte vor Entsetzen. »Ich habe keine Ahnung! Seit Tagen habe ich sie nicht gesehen, seit ich in die Stadt gekommen bin.«
Kahlan biß die Zähne aufeinander. »Wie sah sie aus?«
Marlins Blick zuckte zwischen den beiden Frauen hin und her. »Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, wie ich sie beschreiben soll. Eine junge Frau. Ich glaube, daß sie erst seit kurzem keine Novizin mehr ist. Sie sah jung aus, so wie Ihr, Mutter Konfessor. Hübsch. Ich fand sie hübsch. Sie hatte langes Haar. Langes, braunes Haar.«
Kahlan und Cara sahen sich an. »Nadine«, entfuhr es ihnen wie aus einem Mund.
4. Kapitel
»Herrin Cara?« rief Marlin von unten.
Cara drehte sich um. Sie hielt sich mit einer Hand fest, eine Sprosse unter Kahlan. In der anderen trug sie die Fackel. »Was ist!«
»Wie soll ich schlafen, Herrin Cara? Angenommen, Ihr kommt heute abend nicht zurück und ich muß stehen, wie soll ich dann schlafen?«
»Schlafen? Das interessiert mich nicht. Ich sagte doch schon – du mußt auf den Füßen stehen, genau auf dieser Stelle. Bewegst du dich, setzt du dich oder legst du dich hin, wird es dir sehr leid tun. Du wirst mit den Schmerzen ganz allein sein. Kapiert?«
»Ja, Herrin Cara«, erwiderte die schwache Stimme aus der Dunkelheit.
Als Kahlan oben ankam, nahm sie Cara die Fackel ab und erlöste die Mord-Sith, so daß sie beide Hände zum Klettern benutzen konnte. Kahlan reichte die Fackel Unterkommandant Collins, der erleichtert wirkte.
»Collins, ich möchte, daß ihr alle hier unten bleibt. Haltet die Tür verschlossen und steigt nicht dort runter – aus welchem Grund auch immer. Laßt niemanden auch nur einen Blick hineinwerfen.«
»In Ordnung, Mutter Konfessor.« Unterkommandant Collins zögerte. »Dann besteht also Gefahr?«
Kahlan verstand seine Besorgnis. »Nein. Cara hat seine Kraft unter Kontrolle. Er ist nicht fähig, seine Magie zu benutzen.«
Sie musterte die Soldaten, die den dunklen, schmutzigen Gang verstopften. Es mußten fast einhundert sein.
»Ich weiß nicht, ob wir bis heute abend noch einmal zurückkommen«, erklärte sie dem Unterkommandanten. »Schafft den Rest Eurer Leute herunter. Teilt sie in Gruppen ein. Sie sollen sich in Schichten ablösen, damit sich zu jedem Zeitpunkt genug Männer hier unten befinden. Schließt sämtliche Türen. Stellt Bogenschützen an
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