Der Tempel der vier Winde - 8
Hure, und schon gar nicht deine!«
Sein Lächeln wurde breiter. »Tatsächlich nicht? Wie hast du Richard dann verraten? Warum geht er fort, ohne sich auch nur einmal umzudrehen? Ich schätze, es hat dir gefallen, als du dachtest, er sei ich. Richard hat die Hure in dir erkannt. Wenn du erst einmal bei mir im Bett liegst, wirst du es genießen. Das wird mir gefallen.«
60. Kapitel
Verna stieß Warren sachte an. »Wach auf. Es kommt jemand.« Warren rieb sich die Augen. »Ich bin wach.«
Verna drehte sich kurz zu den anderen Fenstern um und vergewisserte
sich, ob die toten Wachen immer noch an der Wand lehnten und es so schien, als wären sie noch auf ihrem Posten. Das Licht der Lampe auf dem Tisch reichte gerade, um die Wachen draußen vor dem Fenstergitter zu erkennen, allerdings spendete sie auch genügend Licht, daß man sie und Warren sehen konnte, daher hielten sie sich von den Fenstern fern.
»Wie fühlst du dich?« fragte sie.
»Besser. Ich glaube, jetzt geht es wieder.«
Er war ohnmächtig gewesen. Die von der Gabe hervorgerufenen
Kopfschmerzen kamen in immer kürzeren Abständen. Verna wußte nicht mehr, was sie für ihn tun sollte. Wie lange würde es dauern, bevor seine Gabe ihn umbrachte? Sie hatte nur einen Gedanken: an ihrem Plan festzuhalten. Warren hatte erzählt, der Prophezeiung zufolge bestünde seine einzige Chance darin, bei ihr zu bleiben.
Durch das Fenster bemerkte sie, daß in der Dunkelheit zwei schemenhafte Gestalten die Straße heraufkamen. Auf den Hügeln in der Ferne verliehen Abertausende von Lagerfeuern der Landschaft das Aussehen eines Sees, in dem sich der sternenübersäte Himmel spiegelte.
Verna schauderte, wenn sie an die Hunderttausende brutaler Kerle in diesen Zelten dachte. Je eher sie diesen Ort verließen, desto besser. Sie war froh, daß sie nicht noch einmal hinauf in Jagangs Festung mußten. Diese Art von Magie konnten sie sich bestimmt kein zweites Mal erlauben. Auf die Banne, die Warren benutzt hatte, würden die Wachen nicht noch einmal hereinfallen.
Einmal war zum Glück genug. Diesmal kamen ihre Freundinnen, Janet und Amelia, nach draußen, um sich mit ihr und Warren zu treffen. Wenn es denn tatsächlich Janet und Amelia waren, die sich dort näherten.
Sie mußten es sein. Es war die vierte Nacht nach dem Vollmond. Der verabredete Treffpunkt. Janet hatte gesagt, Amelia werde von den Zelten zurück sein.
Verna hatte Angst, sich Amelias Zustand vorzustellen. Wahrscheinlich mußte sie geheilt werden. Hoffentlich dauerte es nicht lange. Es war bereits kurz vor Tagesanbruch.
Sie und Warren hatten abwechselnd kurze Zeit geschlafen. Wenn sie zu General Reibisch und seiner Armee zurückwollten, hatten sie einen weiten Weg vor sich und mußten ausgeruht sein für die Reise. Verna wollte diesen Ort so weit wie möglich hinter sich gelassen haben, falls in der Festung Alarm geschlagen wurde.
Sie hoffte, Janet hätte Amelia bereits von den Banden zu Richard berichtet, damit sie auch darauf keine Zeit mehr zu verschwenden brauchte. Sobald Amelia den Eid auf Richard geleistet hatte, würden die Bande sie ebenfalls vor dem Traumwandler beschützen. Dann konnten sie endlich fliehen.
Verna hätte nur zu gerne auch die übrigen Schwestern gerettet, aber sie wußte, Vermessenheit war der beste Weg in den Untergang. Während ihrer zwanzigjährigen Reise, die sie von dem zurückgezogenen Leben im Palast der Propheten fortgeführt hatte, hatte sie gelernt, daß eine Schwester, sollte überhaupt Hoffnung auf Erfolg bestehen, ihre Arbeit in der Welt draußen sorgfältig verrichten mußte. Die Rettung der übrigen Schwestern wäre überaus riskant, und es wäre ihrer Sache nicht gerade dienlich, wenn Verna bei dem Versuch, sie alle auf einen Schlag zu retten, gefaßt wurde. Am besten machte man sich seine Grenzen bewußt und nahm sich einen Schritt nach dem anderen vor. Sobald die Zeit gekommen war, würde sie die übrigen Schwestern sicher aus der Gewalt des Traumwandlers befreien.
Im Augenblick war es äußerst wichtig, ihre beiden Freundinnen herauszuholen und von ihnen zu erfahren, wie man die anderen am besten befreien konnte. Dazu brauchte Warren Hilfe. Ohne Warren war ihre Sache gefährdet. Er war ein Prophet, der gerade erst seine Fähigkeiten entwickelte – falls diese Fähigkeiten ihn nicht umbrachten, bevor Verna ihm die Hilfe beschaffen konnte, die er dringend benötigte.
Einen Schritt nach dem anderen, gemahnte sie sich. Sei vorsichtig, benutze deinen Verstand,
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