Der Tempel der vier Winde - 8
ihrem Beispiel. Das Licht war so grell, daß es nicht reichte, sich einfach abzuwenden.
Und dann setzte eine Dunkelheit ein wie die tiefe Schwärze des Steins der Nacht oder des Bucheinbandes und sog Licht und Farben zurück ins Buch. Sie entzog dem Raum alles Licht, bis er schließlich in Dunkelheit versank.
Aus der Tiefe dieser völligen Finsternis drang ein so entsetzliches Stöhnen, daß Kahlan froh war, nicht erkennen zu können, woher es stammte. Die Klagelaute der Seelen füllten den Raum, breiteten sich in blinder, irrer Raserei aus, sirrten durch die Luft – verloren, wie von Sinnen, wild.
Der Klang eines fernen Lachens, das Kahlan nur zu gut kannte, verhallte zu einem Klagelaut, der bis in die Ewigkeit zu reichen schien.
Als der Schein der Kerzen wieder aufleuchtete, war das Buch verschwunden, und nur ein Aschefleck verriet, wo es gelegen hatte.
Kahlan und Cara liefen hinüber zu Richard. Er schlug die Augen auf. Zwar sah er noch nicht gesund aus, wirkte aber munterer. Sein Atem ging kräftiger und gleichmäßig.
»Was ist passiert?« fragte er. »Ich bekomme wieder Luft. Mein Kopf dröhnt nicht mehr.«
»Die Mutter Konfessor hat Euch gerettet«, verkündete Cara. »Wie ich Euch schon oft erklärt habe, Frauen sind stärker als Männer.«
»Cara«, fragte Kahlan leise, »woher kanntet Ihr die drei Grußformeln?«
Cara zuckte die Achseln. »Der Legat Rishi kannte die Worte, genau wie die Nachricht von den Winden. Als Ihr von den drei ›Grußformeln‹ spracht, sind sie mir, genau wie die anderen Nachrichten von den Winden, einfach über seine Magie zugefallen.«
Erleichtert legte Kahlan ihre Stirn in stummer Dankbarkeit an Caras Schulter. Die Mord-Sith streichelte der Mutter Konfessor mit demselben stummen Mitgefühl den Rücken.
Richard blinzelte, kniff die Augen zusammen und wollte den Kopf wieder klar bekommen. Als er sich aufrichtete, beugte sich Kahlan zu ihm und wollte ihn in den Arm nehmen, aber Cara hielt sie zurück.
»Bitte, Mutter Konfessor, darf ich zuerst? Ich fürchte, wenn Ihr erst einmal anfangt, bekomme ich wahrscheinlich keine Gelegenheit mehr dazu.«
Kahlan mußte schmunzeln. »Da habt Ihr nicht ganz unrecht. Nur zu.«
Während Cara die Arme um Richard schlang und leise, persönliche, von Herzen kommende Worte in sein Ohr flüsterte, stand Kahlan auf und wandte sich an die Sliph.
»Ich kann dir nicht genug danken, Sliph. Du hast Richard gerettet. Du bist eine echte Freundin, und ich werde dich mein Leben lang in Ehren halten.«
Das silbrige Gesicht verzog sich zu einem zufriedenen Lächeln. Sie blickte hinunter auf Drefans leblosen Körper.
»Er besaß keine Magie, aber er benutzte seine Begabung dazu, die Blutung zu stoppen, damit er lange genug weiterleben konnte, um den Herrn und Meister umzubringen. Es bedeutet den Tod, wenn man mich einatmet, ohne Magie zu besitzen. Ich bin froh, daß ich ihn auf eine Reise mitnehmen konnte, eine Reise in die Welt der Toten.«
Richard erhob sich auf wackeligen Beinen und schlang Kahlan einen Arm um die Hüften. »Ich möchte mich ebenfalls bei dir bedanken, Sliph. Ich habe keine Ahnung, was ich jemals für dich werde tun können, aber wenn es in meiner Macht steht, brauchst du es nur zu sagen.«
Die Sliph lächelte. »Ich danke Euch, mein Herr und Meister. Es würde mich sehr freuen, wenn du wieder mit mir reisen würdest. Es wird dir gefallen.«
Richards Augen hatten jetzt wieder ihren alten Glanz. »Ja, wir wollen reisen. Ich werde mich vorher etwas ausruhen müssen, bis ich mich ganz erholt habe und wieder bei Kräften bin, aber dann werden wir reisen, das verspreche ich.«
Kahlan ergriff Caras Hand. »Geht es Euch gut? Ich meine, ist wirklich alles in Ordnung … in jeder Hinsicht?«
Cara nickte, einen gehetzten Blick in den Augen. »Die Geister der Vergangenheit verfolgen mich noch immer, aber es geht mir gut. Danke, Schwester, daß Ihr mir geholfen habt. Es geschieht nicht oft, daß eine Mord-Sith auf die Hilfe eines anderen vertrauen kann, aber bei Richard als Lord Rahl und Euch als Mutter Konfessor scheint alles möglich.«
Cara blickte hinüber zu Richard. »Als Ihr die Mutter Konfessor geheilt habt, sah es aus, als würdet Ihr glühen, als hätte Euch dabei eine Seele zur Seite gestanden.«
»Ich denke, die Guten Seelen haben mir geholfen. Davon bin ich fest überzeugt.«
»Ich habe die Seele wiedererkannt. Es war Raina.«
Richard nickte. »Ich hatte auch das Gefühl, es sei Raina gewesen. Als ich in der Welt der
Weitere Kostenlose Bücher