Der Tempel der vier Winde - 8
nach Hause machen.«
»Das ist nicht wahr, Nadine. Er hat mir gesagt, Ihr seid ein netter Mensch.«
Schließlich richtete sich Nadine auf und strich einen Teil ihres Haars über die Schulter nach hinten. Sie putzte sich die Nase und stopfte das Taschentuch in eine Tasche ihres blauen Kleides.
»Entschuldigt. Ihr habt mich bestimmt gehaßt. Ich hatte nicht die Absicht, hier hereinzuplatzen und Euch den Mann wegzunehmen. Ich hatte ja keine Ahnung. Ich schwöre es, ich hatte keine Ahnung, sonst hätte ich das nicht getan. Ich dachte … Na ja, ich dachte, er wollte…« Das Wort ›mich‹ ging in den Tränen unter.
Während Kahlan versuchte, sich das niederschmetternde Gefühl vorzustellen, Richards Liebe zu verlieren, kam bei ihr so etwas wie Mitgefühl auf. Sie nahm Nadine tröstend in die Arme und drückte sie sanft aufs Bett. Nadine holte ihr Taschentuch wieder hervor und preßte es sich schluchzend auf die Nase.
Kahlan setzte sich neben die Frau aufs Bett. »Warum erzählt Ihr mir nicht von Euch und Richard, wenn Ihr Euch dann besser fühlt? Manchmal tut es gut, wenn einem jemand zuhört.«
»Ich komme mir so töricht vor.« Nadine ließ die Hände in den Schoß fallen und machte den Versuch, ihre Tränen unter Kontrolle zu bekommen. »Ich bin selber schuld. Ich habe Richard immer gemocht. Jeder mochte Richard. Er ist zu allen freundlich. So wie heute habe ich ihn noch nie erlebt. Er hat sich wohl sehr verändert.«
»Er hat sich in mancherlei Hinsicht verändert«, stimmte Kahlan zu. »Sogar seit letzten Herbst, als ich ihm zum erstenmal begegnet bin. Er hat viel durchgemacht. Er mußte sein altes Leben aufgeben, und die Ereignisse haben ihn auf eine harte Probe gestellt. Er mußte lernen, wie man um sein Leben kämpft. Er mußte sich der Tatsache stellen, daß George Cypher nicht sein richtiger Vater ist.«
Nadine hob erstaunt den Kopf. »George war nicht sein Vater? Wer dann? Ein Mann namens Rahl?«
Kahlan nickte. »Darken Rahl. Der Führer D’Haras.«
»D’Hara. Bis zum Fall der Grenze dachte ich immer, D’Hara sei ein Ort des Bösen.«
»Das war es auch«, gab Kahlan ihr recht. »Darken Rahl war ein gewalttätiger Herrscher, der danach trachtete, mit Hilfe von Folter und Mord Land zu erobern. Er ließ Richard gefangennehmen und fast zu Tode quälen. Richards Bruder Michael hatte ihn an Darken Rahl verraten.«
»Michael? Also, das überrascht mich wirklich nicht. Richard liebte Michael. Der ist ein wichtiger Mann, aber er hat so einen häßlichen Charakterzug. Wenn er etwas will, ist ihm egal, wem er damit weh tut. Zwar hatte niemand den Mumm, es offen auszusprechen, aber ich glaube nicht, daß irgend jemand allzu unglücklich war, als er verschwand und nicht mehr wiederkam.«
»Er starb in der Schlacht gegen Darken Rahl.«
Auch über diese Neuigkeit schien Nadine nicht sonderlich betrübt. Kahlan erwähnte nicht, daß Richard Michael hatte hinrichten lassen, weil er so viele Schutzbefohlene verraten hatte und für den Tod Unzähliger verantwortlich war.
»Darken Rahl versuchte, eine Magie zu benutzen, die jeden unter seiner Herrschaft zum Sklaven gemacht hätte. Richard floh, tötete seinen richtigen Vater und rettete uns alle. Darken Rahl war ein Zauberer.«
»Ein Zauberer! Und Richard hat ihn besiegt?«
»Ja. Wir alle stehen tief in seiner Schuld, weil er uns vor dem Schicksal bewahrt hat, das sein Vater der ganzen Welt zugedacht hatte.«
»Richard ist ebenfalls ein Zauberer?«
Nadine lachte, denn sie hielt das für einen Scherz. Kahlan lächelte nicht einmal. Cara stand mit versteinerter Miene da. Nadine machte große Augen.
»Das war Euer Ernst, nicht wahr?«
»Ja. Zedd war sein Großvater. Zedd war ein Zauberer, genau wie Richards richtiger Vater. Richard wurde mit der Gabe geboren, doch weiß er nicht viel darüber, wie er von ihr Gebrauch machen kann.«
»Zedd ist ebenfalls verschwunden.«
»Anfangs begleitete er uns. Er kämpfte gemeinsam mit uns und versuchte, Richard zu helfen, vor kurzem jedoch, während einer Schlacht, ist er verschwunden. Ich fürchte, er wurde oben bei der Burg der Zauberer getötet, auf dem Berg oberhalb von Aydindril. Richard will nicht glauben, daß Zedd tot ist.« Kahlan zuckte die Achseln. »Vielleicht hat er ja recht. Der alte Mann war der einfallsreichste Mensch, dem ich, abgesehen von Richard, je begegnet bin.«
Nadine wischte sich mit dem Taschentuch die Nase. »Richard und dieser verrückte alte Mann waren die allerbesten Freunde. Das meinte
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