Der Tempel der vier Winde - 8
… na ja, er hatte seine Hosen schon bis zu den Knien heruntergeschoben, da tauchte Richard auf. Tommy bekam sofort weiche Knie. Richard sagte, sie sollten machen, daß sie verschwinden, und er wolle ihren Vätern alles erzählen.
Statt Vernunft anzunehmen und tatsächlich zu verschwinden, beschlossen die beiden, ein paar Vogelpfeile auf Richard abzuschießen, um ihm eins auszuwischen, damit er sich in Zukunft gefälligst um seine eigenen Angelegenheiten kümmerte. Deswegen haben Tommy und Lester keine Schneidezähne mehr. Er sagte ihnen, das sei dafür, was sie mir hatten antun wollen. Dann zerbrach er ihre wertvollen Eibenholzbogen und erklärte, das sei für das, was sie ihm hatten antun wollen. Zu Tommy sagte er, wenn er noch einmal versuchen würde, mir so etwas anzutun, würde er ihm sein Dings abschneiden, Ihr wißt schon, was ich meine.«
Kahlan lächelte. »Das klingt ganz wie der Richard, den ich kenne. Das hört sich nicht so an, als hätte er sich sehr verändert. Nur sind die Tommys und Lesters mittlerweiler größer und gemeiner.«
Nadine zuckte zaghaft mit den Achseln. »Schon möglich.« Sie sah auf, als Cara ihr die Blechtasse hinhielt, die sie aus dem Krug auf dem Waschtisch gefüllt hatte. Nadine trank einen kleinen Schluck. »Ich kann nicht glauben, daß es Menschen gibt, die Richard tatsächlich umbringen wollen.« Sie lächelte naiv. »Selbst Tommy und Lester wollten ihm nur die Zähne ausschlagen.« Sie setzte die Tasse in ihren Schoß ab. »Und daß sein eigener Vater ihn töten wollte! Ihr sagtet, Darken Rahl habe Richard foltern lassen. Warum hat er das getan?«
Kahlan sah kurz Cara an. »Das ist Vergangenheit. Ich möchte keine Erinnerungen aufwühlen.«
Nadine errötete. »Tut mir leid. Fast hätte ich vergessen, daß er … und Ihr…« Sie wischte sich mit den Fingern eine frische Träne von der Wange. »Das ist einfach nicht gerecht. Ihr« – Nadine machte eine verzweifelt wegwerfende Handbewegung – »Ihr habt einfach alles. Dieser, dieser Palast gehört Euch. Ich hätte nie geglaubt, daß es so was überhaupt gibt. Er sieht aus wie ein Traumbild aus der Welt der Seelen. Und Ihr besitzt so elegante und prächtige Kleider. In dem Kleid seht Ihr aus wie eine der Guten Seelen.«
Sie sah Kahlan in die Augen. »Außerdem seid Ihr so wunderschön. Das ist nicht gerecht. Ihr habt sogar wunderschöne grüne Augen. Meine Augen sind braun und stumpf. Bestimmt standen die Männer Euer Leben lang draußen vor dem Palast Schlange, weil sie um Eure Hand anhalten wollten. Sicher hattet Ihr mehr Verehrer, als die meisten Frauen sich zu erträumen wagen. Ihr habt alles. Ihr könntet Euch jeden Mann in den Midlands aussuchen … und dann sucht Ihr Euch einen aus meiner Heimat aus.«
»Liebe ist nicht immer gerecht, sie ist einfach da. Außerdem sind Eure Augen ebenfalls wunderschön.« Kahlan faltete die Hände und legte sie ums Knie. »Was meinte Richard, als er sagte, daß es kein ›uns‹ gebe und ausgerechnet Ihr das eigentlich wissen solltet?«
Nadine schloß die Augen und wandte sich ab. »Na ja, wahrscheinlich waren viele Mädchen in Kernland hinter Richard her, nicht bloß ich. Er war anders als die anderen. Er war etwas Besonderes. Ich weiß noch, wie er ungefähr zehn oder zwölf war und zwei Männer überredete, sich nicht zu schlagen. Er hatte schon immer eine ganz besondere Art. Er brachte die beiden Männer zum Lachen, und sie verließen den Laden meines Vaters Arm in Arm. Richard war schon immer etwas ganz Besonderes.«
»Daran erkennt man einen Zauberer«, meinte Kahlan. »Richard hatte also eine Menge Freundinnen?«
»Nein, eigentlich nicht. Er war zu jedermann freundlich, höflich und hilfsbereit, jedoch schien er sich nie in ein Mädchen zu verlieben. Das machte ihn nur noch begehrenswerter. Er hatte keine Liebste. Viele von uns Mädchen wollten diejenige sein, welche. Nachdem Tommy und Lester versucht hatten … mich … mich … , als sie etwas von mir wollten –«
»Als sie Euch vergewaltigen wollten.«
»Ja. Vermutlich war es in Wirklichkeit wohl eher das. Ich hatte nie glauben wollen, daß jemand mir so was wirklich antun könnte, einfach so – mich festhalten und Schluß. Wahrscheinlich haben sie genau das versucht: mich zu vergewaltigen.
Aber manche Leute nennen es nicht so. Manchmal, wenn ein Junge das einem Mädchen antut, dann hat er Anspruch auf sie erhoben, und die Eltern behaupten, es sei dazu gekommen, weil das Mädchen ihn dazu ermuntert habe. Dann
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